Rz. 1

Der Gesetzgeber hat auf die zunehmende Verbreitung nichtehelicher Lebensgemeinschaften durch punktuelle Regelungen in verschiedenen Bereichen der Rechtsordnung reagiert. Gemeinsames Merkmal all dieser gesetzgeberischen Aktivitäten ist, dass sie nur das Außenverhältnis der Lebensgefährten zu Dritten im Privat-, Straf- oder öffentlichen Recht betreffen. Dagegen fehlen spezielle Kodifikationen zum Innenverhältnis der Lebensgefährten. Nach heute ganz herrschender Meinung kommt durch die Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kein Vertragsverhältnis zwischen den Lebensgefährten zustande.[1] Der Zusammenschluss zweier Personen zu einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist ein rein tatsächlicher Vorgang. Auch eine Analogie zum Recht des Zugewinnausgleichs zwischen Ehegatten (§§ 1371 ff. BGB) kommt nicht in Betracht.[2] Die Lebensgefährten unterstellen sich bewusst nicht dem Eherecht. Dadurch, dass die Partner zusammenziehen oder in anderer Weise eine nichteheliche Lebensgemeinschaft begründen, äußern sie noch keinen Rechtsfolgenwillen. Weil die Beteiligten (zunächst) bewusst nicht die Ehe schließen möchten, kommt eine Gesamtanalogie zum Eherecht nicht in Betracht. Haben sie sich auch nicht die Ehe versprochen, kommt auch das Verlöbnisrecht nicht zur Anwendung.

 

Rz. 2

Die ältere Rechtsprechung des BGH hat schon früh den Grundsatz aufgestellt, dass nach beendeter Lebensgemeinschaft kein Ausgleich oder eine Vermögensauseinandersetzung stattfindet.[3] Als Ausnahme hiervon hat die Rechtsprechung nur die Fälle anerkannt, in denen ein Partner einen Vermögensstand allein erwirbt, der vom anderen Partner jedoch wesentlich mitfinanziert wird, wenn die Beteiligten sich darüber einig waren, dass der Vermögensgegenstand ihnen beiden wirtschaftlich gehören soll.[4] In diesen Fällen hat die Rechtsprechung lange Zeit angenommen, dass eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts zustande kommt. Der BGH unterschied nicht danach, ob die Partner den Vermögensgegenstand, insbesondere die Immobilie, zu eigenen (Wohn-) Nutzungszwecken oder zur Erzielung von Einkünften (z.B. Betriebe, Renditeobjekte) verwendeten.[5] Lange Zeit hat die Rechtsprechung des BGH – entgegen anders lautenden Urteilen mancher Obergerichte[6] – es abgelehnt, Rückforderungsansprüche unter dem Gesichtspunkt eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) oder Ansprüche auf Rückgabe wegen ungerechtfertigter Bereicherung unter dem Gesichtspunkt eines Wegfalls des mit der Leistung verfolgten Zwecks (§ 812 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB) zuzusprechen.[7] Begründet wurde dies damit, dass jeder der beteiligten Partner damit rechnen müsse, dass die Lebensgemeinschaft durch Trennung enden kann. Es wurde weiter ins Feld geführt, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft als rein tatsächlicher Vorgang keine Geschäftsgrundlage sein könne.[8] Ein gegebenenfalls vereinbarter Zweck im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB habe sich bereits durch das Zusammenleben verwirklicht.[9]

 

Rz. 3

In zwei Grundsatzurteilen vom 9.7.2008[10] hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Die Urteile hatten finanzielle Beiträge bzw. Arbeitsleistungen eines Partners zum Gegenstand, die gemeinsam bewohnten Immobilien zu Gute kamen. Der BGH erkennt nun erstmals an, dass ein Partner nach der Trennung gegen den Anderen Ansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) und wegen Nichterreichung des mit der Leistung verfolgten Zwecks (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB) haben kann. Die Urteile des BGH vom 9.7.2008[11] bedeuten eine Abkehr von einer jahrzehntelangen feststehenden Rechtsprechung. Sie sind von äußerst hoher praktischer Bedeutung. Ihre Folgen sind noch nicht vollständig absehbar. Insbesondere ist noch nicht klar, in welchem Umfang die alte Rechtsprechung obsolet geworden ist. Die Urteile des BGH vom 9.7.2008[12] sind zu der Fallkonstellation ergangen, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft durch Trennung (nicht durch Tod) endete und ein Partner vom anderen die Erstattung von Beiträgen verlangte, die dessen (Miteigentumsanteil an einer) Immobilie zu Gute gekommen waren.

 

Rz. 4

Der BGH hat sich nicht dazu geäußert, was gilt, wenn die nichteheliche Lebensgemeinschaft durch Tod endet und andere Beiträge eines Partners im Streit stehen, z.B. Geldüberweisungen. Auch hierzu ist in letzter Zeit höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen. Mit Urt. v. 25.11.2009[13] hat der BGH für den Fall, dass der spendierfreudigere Partner (zuerst) stirbt, entschieden dass seinen Erben regelmäßig keine Ausgleichsansprüche zustehen.[14] Zugleich hat der BGH in diesem Urteil und in einem Urt. v. 3.2.2010[15] bestätigt, dass für Beiträge des alltäglichen Bedarfs unverändert das Ausgleichsverbot der alten Rechtsprechung fortgilt.

 

Rz. 5

Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, sich zunächst die "alte", bis zum 9.7.2008 ergangene Rechtsprechung des BGH vor Augen zu führen und anschließend die Urteile des BGH vom 9.7.2008 sowie die Folgerechtsprechung zu analysieren.

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