Dr. iur. Maximilian von Proff zu Irnich
Rz. 14
Eine vermögensmäßige Gesamtauseinandersetzung nach Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die alle während ihres Bestehens erbrachten Leistungen oder Zuwendungen der Partner untereinander berücksichtigt (Gesamtsaldierung aller Ausgaben der Partner), fand nach ständiger Rechtsprechung nicht statt, wenn es die Partner nicht ausdrücklich anders vereinbart hatten. Ebenso wenig war Raum für einen Gesamtvermögensausgleich nach Art des Zugewinnausgleichs, in den die Vermögensentwicklung beider Partner während ihrer Lebensgemeinschaft einbezogen wird.
Rz. 15
Trafen die Beteiligten ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen, wurden diese selbstverständlich anerkannt, weil die nichteheliche Lebensgemeinschaft keinen rechtsfreien Raum schafft. Meist fehlten jedoch derartige Vereinbarungen der Partner. Der BGH ließ hinsichtlich einzelner Vermögensgegenstände von bedeutendem Wert nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen einen Ausgleich zu. Der nunmehr nach der Geschäftsverteilung zuständige XII. (Familien-) Senat des BGH hat die Grundlage hierfür in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung in einem Urt. v. 28.9.2005 nicht mehr in einer "entsprechenden Anwendung" der §§ 730 ff. BGB (ab 1.1.2024: § 740b Abs. 1 BGB idF durch das MoPeG), sondern darin gesehen, dass eine Innengesellschaft durch schlüssiges Verhalten zu Stande gekommen sei. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft sei eine Verbindung ohne Rechtsbindungswillen. Aus einer bloßen faktischen Willensübereinstimmung könnten sich gesellschaftsrechtliche Ausgleichsansprüche nicht ergeben. In seinen beiden Urteilen vom 9.7.2008 hat der BGH diese Rechtsprechung und ihre dogmatische Grundlage (konkludente Innengesellschaft) bestätigt. Er hat jedoch ihren Anwendungsbereich auf Vermögensgegenstände eingeschränkt, die zur Erzielung von Einkünften dienen (z.B. Mietobjekte, Unternehmen, Freiberuflerpraxen). Wenn es dagegen um das selbst bewohnte Familienwohnhaus geht, hegt der BGH nun Zweifel an dem für eine Innengesellschaft der Partner unverzichtbaren Bindungswillen, soweit diese lediglich "die nichteheliche Lebensgemeinschaft verwirklichen" wollten.
Rz. 16
Die Annahme einer durch schlüssiges Verhalten begründeten Innengesellschaft liegt nahe, wenn die Partner durch gemeinschaftliche Leistungen einen Vermögensgegenstand erwirtschaftet haben, der dinglich nur dem einen Partner zusteht, hierbei aber im Innenverhältnis die Absicht verfolgt haben, einen – wenn auch nur wirtschaftlich – gemeinschaftlichen Wert zu schaffen, der von ihnen für die Dauer ihrer Partnerschaft nicht nur gemeinsam genutzt wird, sondern ihnen nach ihrer Vorstellung auch gemeinsam gehören soll.
Rz. 17
Die Voraussetzungen für einen gesellschaftsrechtlichen Ausgleichsanspruch sind nach der Rechtsprechung des BGH beispielsweise dann gegeben, wenn die Partner durch beiderseitige Arbeit, finanzielle Aufwendungen oder sonstige Leistungen zusammen ein gewerbliches Unternehmen aufbauen, betreiben und als gemeinsamen Wert betrachten und behandeln. Gleiches gilt, wenn während einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft Renditeobjekte gemeinsam derart geschaffen werden, dass die Partnerin Grundstücke erwirbt und der Partner an deren Bebauung wesentlich mitwirkt. Diese Grundsätze gelten auch nach den Urteilen vom 9.7.2008. Der Sachverhalt, dass der Lebensgefährte wesentlich zum Bau des gemeinsam bewohnten Hauses beiträgt, das im Alleineigentum des anderen Lebensgefährten steht, war dagegen nur nach alter Rechtsprechung tauglicher Gesellschaftsgegenstand.
Rz. 18
Immer muss der Beitrag des dinglich nicht beteiligten Lebensgefährten dem Substanzaufbau, der Erhaltung oder wesentlichen Verbesserung dienen. Nicht ausreichend sind bloße Reparaturmaßnahmen oder -aufwendungen. Daher begründen auf eigene Kosten vorgenommene Renovierungsmaßnahmen eines Lebensgefährten an der von ihm gemieteten und von beiden genutzten Wohnung auch dann keine Ausgleichsansprüche gegen die Lebensgefährtin, wenn die Lebensgemeinschaft scheitert. In diesem Fall steht der Zweck des gemeinschaftlichen Zusammenlebens ganz im Vordergrund.
Rz. 19
Maßgebend für das Bestehen von Ausgleichsansprüchen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH eine Gesamtwürdigung, die sich an getroffenen Absprachen, Äußerungen des dinglich allein berechtigten Partners gegenüber Dritten, den finanziellen Verhältnissen der beiden Partner und daran orientiert, dass jedenfalls bei Vermögenswerten von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung wesentliche Beiträge des Partners, der nicht Eigentümer oder Miteigentümer ist, einen Anhaltspunkt für eine gemeinschaftliche Wertschöpfung bilden.
Rz. 20
Stets sind aber ausdrückliche Vereinbarungen vorrangig. Sie verdrängen einen gesellschaftsrechtlichen Ausgleichsanspruch. Trägt der Lebensgefährte beispielsweise zum Erwerb eines Wohnhauses durch seine Partnerin bei und ist man sich einig, dass ihm als einzige Gegenleistung ein grundbuchlich abgesichertes Mitbenutzungsrecht eingeräumt...