1. Allgemeines

 

Rz. 104

Die AUB legen mit der Regelung zur Versicherungsfähigkeit nach § 3 AUB 94/88 und § 5 AUB 61 fest, dass der Versicherungsschutz erlischt, sobald die VP versicherungsunfähig geworden ist.

Aus kartellrechtlichen Gründen[74] gab der GdV für die AUB 08/99 keine Formulierungsvorschläge. Die Musterbedingungen lassen an der systematisch passenden Stelle der Ziffer 4 eine bewusste Lücke, die jeder VR selbstständig ausfüllen kann.

[74] Ausführlich dazu Grimm, § 4 Rn 1, Stockmeier/Huppenbauer, S. 37.

2. Zweck und Wirksamkeit

 

Rz. 105

Nach Sinn und Zweck der § 3 AUB 94/88, § 5 AUB 61 soll derjenige, der aus der privaten Unfallversicherung keine Leistung erhalten konnte, auch nicht versichert und damit beitragspflichtig sein.[75] Dies entspricht richtigerweise dem Rechtsgedanken des Wegfalls des versicherten Interesses und stellt weitgehend eine Ausgestaltung des § 68 VVG a.F.[76] dar. Die Wirksamkeit der Regelung ist zu bejahen.[77]

[75] Grewing, Entstehungsgeschichte, S. 25.
[76] BGH v. 25.1.1989 – IVa ZR 189/87, VersR 1989, 351; Prölss/Martin-Knappmann, Nr. 4 AUB 08 Rn 1.
[77] Vgl. Bruck/Möller-Leverenz, § 181 Rn 2–4 und 35 mit ausführlicher Begründung; nach a.A. handelt es um eine unwirksame Gefahrerhöhungsregelung.

3. Ausgeschlossene Krankheitsbilder

 

Rz. 106

Welche Risiken als nicht versicherbar gelten, ist in den verschiedenen Bedingungswerken unterschiedlich geregelt. Bei den jeweiligen Änderungen sind Beweis- und Praxisprobleme der Schadensregulierung mit eingeflossen. Es bleibt aber nach wie vor schwierig, den genauen Zeitpunkt des Eintritts einer Versicherungsunfähigkeit festzustellen, da oftmals, nicht zuletzt auch aus Scham, die Gesundheitssituation von Betroffenen verschleiert wird und selbst die behandelnden Ärzte kein eindeutiges Bild von der tatsächlichen Situation besitzen.

a) Geisteskranke

 

Rz. 107

Nicht jede krankhafte Störung des Geistes oder der Seele sind Geisteskrankheiten im Sinne der AUB. Vielmehr muss die Störung von so schwerwiegendem Ausmaß sein, dass die VP dadurch vom allgemeinen Leben weitgehend ausgeschlossen ist.[78]

Mangels eindeutiger medizinischer und juristischer Definition des Begriffs Geisteskrankheit bedarf es einer engen Auslegung. Im Einzelfall ist zu klären, ob die VP in der Lage ist, auf Gefahrensituationen des täglichen Lebens angemessen zu reagieren und diesen auszuweichen. Ist eine Geisteskrankheit durch eine Therapie in Grenzen gehalten und erfolgt eine notwendige Medikamenteneinnahme durch die VP selbstständig und zuverlässig, dann liegt keine – eine Versicherungsunfähigkeit begründende – Geisteskrankheit vor.[79] Ist hingegen eine ständige Überwachung der VP oder gar eine Anstaltsunterbringung erforderlich, so ist eine Versicherungsunfähigkeit gegeben.[80]

[78] Prölss/Martin-Knappmann, Ziff. 4 AUB 08 Rn 5.
[79] Grimm, § 4 Rn 4.
[80] Prölss/Martin-Knappmann, Ziff. 4 AUB 08 Rn 5; LG Schwerin v. 6.7.1995 – 4 O 94/95, zfs 1998, 22 f. = VersR 1997, 1521.

b) Dauernd pflegebedürftige Personen

 

Rz. 108

Dauernd pflegebedürftig ist, wer für die Verrichtungen des täglichen Lebens überwiegend fremder Hilfe bedarf, also zu mehr als 50 % auf die Hilfe Dritter angewiesen ist.[81] Hierbei sind technische Hilfsmittel nicht gemeint.[82] Relevant sind Hilfstätigkeiten bei der Grundversorgung, also etwa Hilfe beim Aufstehen, Zubettgehen, An- und Auskleiden, bei der Körperpflege, Verrichtung der Notdurft, Einnahme von Lebensmitteln und der Fortbewegung allgemein.[83]

Die Hilfsbedürftigkeit muss grundsätzlich täglich und irreversibel vorliegen, also voraussichtlich bis zum Lebensende andauern. Damit bleibt die Versicherbarkeit für Säuglinge, Kleinkinder und nur zeitweise auf Hilfeleistungen angewiesener Kranker und schwer Verletzter erhalten.[84]

[81] Konen/Lehmann, S. 25.
[82] Wussow-Pürckhauer, § 3 Rn 10.
[83] Grimm, § 4 Rn 2.
[84] Grimm, § 4 Rn 3.

c) Schwere Nervenleiden

 

Rz. 109

Schwere Nervenleiden sind begrifflich nur in § 5 AUB 61 genannt. Als schwer sind Nervenleiden zu qualifizieren, wenn sie progredient (sich fortlaufend steigernd) und nicht beeinflussbar bis zum Tode fortschreiten oder schubweise auftreten, also in einzelnen Schüben einen lebensbedrohenden Zustand oder Siechtum herbeiführen können.[85]

Ähnlich wie bei der Geisteskrankheit ist auch bei schweren Nervenleiden die konkrete Ausgestaltung der Erkrankung entscheidend. Der Versicherungsschutz erlischt zu dem Zeitpunkt, an dem ein Arzt erstmals sicher die Erkrankung als progredient diagnostiziert hat.[86] Die Feststellung eines Nervenleidens im Frühstadium führt nicht automatisch zur Versicherungsunfähigkeit. So wurde die Schwere des Nervenleidens beim Bing-Horton-Syndrom[87] und beim Parkinson-Syndrom im Frühstadium[88] verneint.

Nervenleiden sind z.B. die Multiple Sklerose, Chorea Huntington, tabes dorsalis, Gehirnlues, Alzheimer, das Parkinson-Syndrom, aber auch bösartige Gehirntumore.[89]

[85] OLG Frankfurt v. 7.6.1995 – 23 U 126/94, zfs 1997, 225 = r+s 1997, 173; AG Erkelenz v. 13.3.1992 – 8 C 464/89, r+s 1993, 38.
[86] Grimm, § 4 Rn 5.
[87] AG Bergisch-Gladbach v. 6.10.1987 – 26 C 169/86, VersR 1988, 845.
[88] LG Stuttgart v. 17.2.1981 – 7 O 190/80, VersR 1981, 455; LG Hambu...

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