Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 100
Im Familienrecht gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit.
Diesem Grundsatz folgen allerdings, wie fast jedem Grundsatz, Ausnahmen von unterschiedlicher Bedeutung. Hinsichtlich des Abschlusses von Eheverträgen wird die Bedeutung daran gemessen, in welchem Ausmaß die vertragliche Abbedingung der einzelnen gesetzlichen Regelungen im Ehevertrag in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift.
Rz. 101
In der Rangabstufung ist nach der vom BGH entwickelten Kernbereichslehre der Zugewinnausgleich einer ehevertraglichen Disposition "am weitesten zugänglich".
Dies führt allerdings nicht dazu, dass im Güterrecht eine vollständige Vertragsfreiheit besteht. Es gibt durchaus Bereiche, in denen güterrechtliche Regelungen zwischen Ehegatten die Grenzen der Vertragsfreiheit überschreiten und sich als eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) oder eine sittenwidrige Regelung (§ 138 Abs. 1 BGB) erweisen.
a) Wirksamkeit bei Vertragsschluss
Rz. 102
Es sind deshalb Fälle denkbar, in denen bereits die Wirksamkeitskontrolle, also die Prüfung der Wirksamkeit des Vertrages bei Vertragsschluss, eine güterrechtliche Vereinbarung als sittenwidrig erscheinen lässt.
Dies kann aber wegen der nachrangigen Einordnung des Güterrechts in die Kernbereichslehre des BGH nur in extremen Ausnahmefällen vorstellbar sein. Dies ist u.U. dann denkbar, wenn die Beanstandung im subjektiven Bereich liegt, also beispielsweise, wenn der benachteiligte Ehegatte die Gütertrennung unter massivem Druck zu akzeptieren hatte. Denkbar ist ein solcher massiver Druck beispielsweise, wenn die hochschwangere Braut erst kurz vor der beabsichtigten Eheschließung mit dem Abschluss des Ehevertrages konfrontiert wird, wenn der Hochzeitstermin bereits bestimmt ist und die Gäste bereits geladen sind.
In einem solchen Fall tritt die Nichtigkeit des Vertrages ein, sodass die gesetzlichen Vorschriften gelten.
b) Änderung der Verhältnisse
Rz. 103
Die Berufung auf eine wirksam vereinbarte Gütertrennung kann sich jedoch als rechtsmissbräuchlich erweisen.
Auch wenn in einem ersten Schritt die Inhaltskontrolle eines Ehevertrages ergibt, dass die güterrechtliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten nicht zu beanstanden ist, muss doch zum Zeitpunkt der Anwendung der vertraglichen Regelungen bei Scheidung geprüft werden, ob sich der dadurch Begünstigte tatsächlich auf die Regeln berufen kann (Ausübungskontrolle).
Rz. 104
Unter strengen Voraussetzungen könnte sich die Berufung auf eine wirksam vereinbarte güterrechtliche Regelung als rechtsmissbräuchlich erweisen.
Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn Ehegatten bei ihrer Abrede von beiderseitiger, ökonomisch vergleichbar gewinnbringender Berufstätigkeit ausgegangen sind, diese Planung sich aber später nicht verwirklichen lässt. Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, dann sei, so der BGH, der eine Ehegatte gehindert, sich auf die von den Beteiligten vereinbarte Gütertrennung zu berufen.
Rz. 105
Im Wege der Ausübungskontrolle ist in einem solchen Falle allerdings nicht schlicht der Zugewinnausgleich durchzuführen. Es sind die ehebedingten Nachteile auszugleichen. Dies gilt namentlich, weil man sich umso stärker an der vom Gesetz vorgesehenen Rechtsfolge zu orientieren hat, je zentraler diese Frage im Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts angesiedelt ist. Das Güterrecht ist jedoch der am weitesten vom Kernbereich entfernte Bereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts. Daher kommt in einem solchen Fall ausschließlich der Ausgleich der ehebedingten Nachteile in Betracht.
c) Sittenwidrigkeit höherrangiger Rechte
Rz. 106
Diejenigen Fälle, in denen eine güterrechtliche Vereinbarung, namentlich die Vereinbarung der Gütertrennung, für sich gesehen sittenwidrig ist oder sich als unzulässige Rechtsausübung darstellt, sind seltene Ausnahmefälle.
Rz. 107
Anderes gilt jedoch, wenn Gegenstände aus dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts, namentlich Unterhaltsansprüche oder Ansprüche auf Versorgungsausgleich, betroffen sind und sich als sittenwidrig darstellen. Stellen sich solche höherrangigen Rechte als sittenwidrig dar, ist nach ständiger Rechtsprechung "in der Regel" der gesamte Vertrag nichtig".
Rz. 108
Darüber hinaus erstreckt sich die Sittenwidrigkeit sogar "notwendig" auf den gesamten Vertrag, wenn Einzelregelungen des Vertrages "durch keine berechtigten Belange des einen Teils gerechtfertigt" sind.
Grundsätzlich gilt, dass ein unzulässiger Verzicht aus einem höherrangigen Recht umso eher zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages führt, je höher das Recht im Rahmen der Kernbereichslehre des BGH angesiedelt ist.
Hoch angesiedelt ist im Rahmen des Scheidungsfolgenrechts beispielsweise der Versorgungsausgleich. Wird daher eine S...