Rz. 12

Von der allgemeinen, zur Verteidigung ermächtigenden Vollmacht ist die Erklärungsvollmacht (§ 234 StPO) zu unterscheiden: Die Erklärungsvollmacht berechtigt den Verteidiger zur Vertretung in der Erklärung und im Willen (BGHSt 9, 356; OLG Zweibrücken NZV 1994, 372; OLG Hamm zfs 2008, 348) und räumt ihm somit neben seinen eigenen auch die Befugnisse des abwesenden Angeklagten (Betroffenen) ein.

 

Rz. 13

Gerade in Verkehrssachen hat die Erklärungsvollmacht besondere Bedeutung, ist doch bei ihrem Vorliegen die Verwerfung des Einspruches gegen den Strafbefehl bzw. der Berufung des abwesenden Angeklagten selbst dann unzulässig (§ 411 Abs. 2 bzw. § 329 Abs. 1 StPO), wenn sein persönliches Erscheinen angeordnet war (OLG Hamm zfs 2008, 348). Dies gilt auch dann, wenn der Verteidiger - so wie es auch das Recht des Angeklagten wäre - Erklärungen zur Sache nicht abgibt (KG VRS 33, 448). Erforderlich ist lediglich, dass er seine Bereitschaft erklärt, zur Sache verhandeln zu wollen (LG Verden NJW 1974, 2195).

 

Rz. 14

Für das Bußgeldverfahren hat die Erklärungsvollmacht durch die OWi-Reform von 1998, die das Abwesenheitsrecht des Betroffenen nach § 73 OWiG abgeschafft hat, an Bedeutung verloren, denn jetzt braucht der Richter nicht mehr - wie zuvor (z.B. BayObLG bei Rüdt, DAR 1984, 247) - besonders zu begründen, warum er nicht in Abwesenheit des Betroffenen mit dem erklärungsbereiten Verteidiger verhandeln konnte; wichtig bleibt sie aber für einen vom Verteidiger gestellten Antrag, den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden.

 

Rz. 15

 

Achtung: Antrag auf Entbindung nur mit Erklärungsvollmacht möglich

Der Verteidiger kann einen Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nur dann wirksam stellen, wenn er eine - über die bloße Verteidigungsvollmacht hinausgehende - Erklärungsvollmacht hat und diese dem Gericht schriftlich vorliegt (OLG Hamm zfs 2004, 42; OLG Bamberg NSTZ 2007, 180; OLG Rostock DAR 2008, 400; OLG Zweibrücken zfs 2011, 97).

 

Rz. 16

Mit dem Entbindungsantrag verzichtet nämlich der Betroffene auf ein elementares Recht und einen solchen Verzicht kann nur er selbst oder ein entsprechend legitimierter Vertreter, nicht aber der Verteidiger als solcher erklären (BGH NJW 1959, 731).

 

Rz. 17

Im Gegensatz zur Verteidigungsvollmacht braucht das Gericht die Vertretungsvollmacht nur dann zu beachten, wenn diese bei Beginn der Verhandlung schriftlich vorliegt (§ 234 StPO; OLG Koblenz MDR 1972, 801; OLG Düsseldorf ZAP 2004, 1292; BGH, Beschl. v. 3.12.2008 - 2 StR 500/08) oder wenn eine solche (z.B. anlässlich einer kommissarischen Vernehmung) zu Protokoll erklärt wurde (OLG Hamm NJW 1954, 1856).

Das gilt allerdings nur für die Erklärungsvollmacht des Hauptbevollmächtigten, nicht für den von ihm beauftragten Unterbevollmächtigten. Dessen Vollmacht muss nicht schriftlich vorliegen (OLG Celle DAR 2010, 708).

Eine nach Zustellung zu den Akten gereichte Vollmacht heilt den Mangel nicht (OLG Rostock VRS 107, 442).

 

Rz. 18

Die Übersendung einer Telefaxkopie genügt (BVerfG MDR 2000, 836; gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes DAR 2000, 523; OLG Düsseldorf zfs 2004, 42).

 

Rz. 19

 

Tipp

Die schriftliche Vollmacht des Verteidigers kann, wenn eine entsprechende mündliche Ermächtigung durch den Betroffenen (Angeklagten) vorliegt, vom Verteidiger selbst unterzeichnet werden (BayObLG NZV 2002, 199; OLG Brandenburg zfs 2015, 470; a.A. KG StraFo 2018, 71 sowie OLG Köln, Urteil vom 24.09.2019 III - 1 RBs 328/18).

 

Rz. 20

Keiner Schriftform dagegen bedarf die von einem Verteidiger, dessen schriftliche Vertretungsvollmacht dem Gericht vorliegt, erteilte Unter- bzw. Vertretungsvollmacht (OLG Karlsruhe NStZ 1983, 43; OLG Celle DAR 2010, 708).

 

Rz. 21

 

Achtung: Notwendige Urteilsausführungen

Grundsätzlich muss im Urteil mitgeteilt werden, ob bzw. wie sich der Angeklagte (Betroffene) eingelassen hat.

Da der erklärungsbevollmächtigte Verteidiger auch zu Erklärungen anstelle seines Mandanten berechtigt ist, muss in Fällen, in denen sich der Betroffene (Angeklagte) durch einen entsprechend bevollmächtigten Verteidiger hat vertreten lassen, das Urteil darlegen, ob und ggf. wie sich der Betroffene (Angeklagte) durch seinen Verteidiger eingelassen hat (OLG Hamm zfs 2008, 348), andernfalls ist das Urteil bereits auf die Sachrüge hin aufzuheben.

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