I. Allgemeines
Rz. 97
Unter dem Stichwort "Vorempfänge" hat der Berater die bisher vom Mandanten lebzeitig getätigten Zuwendungen an seine Abkömmlinge oder seine Ehefrau zu erfragen. Für die erbrechtliche Beratung sind diese einerseits im Rahmen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen relevant, wenn es sich um Schenkungen handelte, andererseits spielen die Vorempfänge bei der Ausgleichung unter Abkömmlingen eine Rolle, wenn sie kraft Gesetzes oder durch ausdrückliche Anordnung des Erblassers ausgleichspflichtig sind. Schließlich ist bei der Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen ein Vorempfang nach den §§ 2315, 2316 BGB zu berücksichtigen.
II. Art des Vorempfangs
Rz. 98
Für die einzelnen Rechtsfolgen ist insoweit die Art des Vorempfangs festzustellen, ob es sich beispielsweise um eine Ausstattung oder eine sonstige nach §§ 2050 ff. BGB ausgleichspflichtige Zuwendung handelt oder ob gar eine Schenkung, eine gemischte Schenkung oder eine insgesamt entgeltliche oder eine ehebezogene Zuwendung unter Ehegatten vorliegt.
Rz. 99
Darüber hinaus ist auch festzustellen, von wem der Vorempfang stammt. Grundsätzlich sind immer nur die Vorempfänge des direkten Erblassers zur Ausgleichung zu bringen. Haben die Ehegatten jedoch ein Berliner Testament gehabt und ihre Abkömmlinge zu Schlusserben berufen, so gilt im Rahmen der Ausgleichung nach §§ 2050 ff. BGB der so genannte erweiterte Erblasserbegriff. Danach sind auch diejenigen Vorempfänge auszugleichen, die der jeweilige Abkömmling vom Erstverstorbenen erhalten hat. Zu beachten ist, dass der erweiterte Erblasserbegriff nicht bei der Berechnung des Pflichtteils nach § 2315 und § 2316 BGB gilt.
III. Auskunft über Vorempfänge
Rz. 100
Damit die Abkömmlinge des Erblassers die Möglichkeit haben, das ihnen zustehende Recht der Ausgleichung auch geltend machen zu können, steht ihnen ein besonderer Auskunftsanspruch nach § 2057 BGB zu. Danach ist jeder Miterbe verpflichtet, Auskunft über Zuwendungen zu geben, die nach den §§ 2050 ff. BGB zur Ausgleichung zu bringen sind. Auskunftsberechtigt sind nur Abkömmlinge, die gesetzliche Erben sind oder die i.S.v. § 2052 BGB testamentarisch auf ihre gesetzliche Erbquote eingesetzt wurden.
Rz. 101
Der Auskunftsanspruch steht aber auch demjenigen pflichtteilsberechtigten Abkömmling zu, der nicht Erbe geworden ist, da dieser für die Berechnung seines Pflichtteilsanspruchs nach § 2316 BGB ebenso auf die Kenntnis von Vorempfängen angewiesen ist. Darüber hinaus haben auch der nichteheliche Abkömmling und der Testamentsvollstrecker, der mit der Auseinandersetzung beauftragt ist, Anspruch auf Auskunftserteilung gemäß § 2057 BGB. Der Anspruch umfasst auch die Angabe des Wertes des empfangenen Gegenstandes, den Zeitpunkt der Zuwendung und die möglichen Anordnungen des Erblassers, die im Zusammenhang mit der Zuwendung erfolgten.
Für die Erteilung der Auskunft ist eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben. Ein Bestandsverzeichnis ist nur dann vorzulegen, wenn die Voraussetzungen des § 260 Abs. 1 BGB vorliegen. Kommt ein Verpflichteter dem Verlangen auf Auskunftserteilung nicht nach, so kann Auskunftsklage erhoben werden.