1. Allgemeines
Rz. 79
Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird von drei Faktoren bestimmt, zum einen von der Höhe der gesetzlichen Erbquote, zum anderen von dem Bestand und drittens vom Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls (§§ 2303 Abs. 1 S. 2, 2311 BGB). Der Pflichtteil beträgt die Hälfte der fiktiven gesetzlichen Erbquote.
Für die konkrete Ermittlung des Nachlasswertes ist so vorzugehen, dass in einem ersten Schritt der Bestand des Nachlasses festzustellen ist, das heißt, dass diejenigen Vermögenspositionen vom Nachlass auszusondern sind, die für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nicht berücksichtigt werden dürfen.
Nachdem der Bestand des Nachlasses feststeht, ist der Wert der Nachlassgegenstände (Aktiva) zu ermitteln. Von den Aktiva des Nachlasses sind die Passiva, welche die Erblasserschulden und die Erbfallkosten darstellen, abzuziehen. Aus der Differenz zwischen Aktiva und Passiva, nach Ermittlung des Nachlassbestandes, ist der Pflichtteil entsprechend der Quote zu berechnen.
2. Die Höhe der gesetzlichen Erbquote
Rz. 80
Der gesetzliche Erbteil hängt also von der Zahl der "gesetzlichen Miterben" ab, da sich danach die Erbquote bestimmt. Bei der Bestimmung der Erbquote werden auch die Enterbten (§ 1938 BGB), die für erbunwürdig Erklärten (§§ 2339 ff. BGB) und diejenigen, die ausgeschlagen haben, mitgezählt (§ 2310 BGB). Auch das nichteheliche Kind wird bei der Bestimmung des Pflichtteils eines anderen Pflichtteilsberechtigten mitberücksichtigt. Es wird für die Bestimmung der Pflichtteilsquote wie ein eheliches Kind behandelt, weil seit 1.4.1998 erbrechtlich kein Unterschied mehr besteht zwischen ehelichem und nichtehelichem Kind.
Nicht mitgezählt werden dagegen diejenigen, die zum Zeitpunkt des Erbfalls vorverstorben sind, und diejenigen, welche auf ihren Erbteil verzichtet haben (§ 2310 BGB). Ein Erbverzicht wirkt also für die anderen pflichtteilserhöhend (das Gesetz vermutet, der Verzichtende sei abgefunden und der Nachlass um den Abfindungsbetrag geschmälert).
Praxishinweis
Daher ist insoweit dringend vor dem Abschluss eines Erbverzichtsvertrags zu warnen. Vielmehr reicht ein Pflichtteilsverzichtsvertrag in der Regel aus. Auch ein gegenständlicher Pflichtteilsverzicht, z.B. bezüglich des Betriebsvermögens, ist oftmals ausreichend.
Rz. 81
Auch beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft kann es zu einer Verschiebung der Erbquote des Ehegatten und somit zu einer Veränderung der Pflichtteilsquoten kommen.
Wird der Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer, aufgrund Enterbung oder Ausschlagung, so bestimmt sich sein Pflichtteil nach der nicht erhöhten Erbquote gemäß §§ 1931, 1371 Abs. 2 BGB. Neben Erben erster Ordnung hat der Ehegatte somit einen Pflichtteil von ⅛. Daneben hat er noch einen Anspruch auf Zugewinnausgleich, § 1371 Abs. 2 BGB, welcher als Nachlassverbindlichkeit den Wert des Nachlasses mindert. Zu beachten ist, dass sich in einem solchen Fall auch der Pflichtteil anderer Pflichtteilsberechtigter automatisch erhöht (§ 1371 Abs. 2 S. 2 BGB).
Wird der Ehegatte Alleinerbe, so bemessen sich die Pflichtteilsquoten der anderen Pflichtteilsberechtigten nach dem großen Erbteil des Ehegatten von ½.
3. Der Bestand des Nachlasses
Rz. 82
Bei der Feststellung des Nachlassbestandes sind diejenigen Vermögenspositionen abzuziehen, die unvererblich sind oder die außerhalb des Nachlasses auf Dritte übergehen, so z.B. die Lebensversicherungen, wenn ein Bezugsberechtigter benannt ist. Nicht mitzubewerten sind auch diejenigen Gegenstände, auf die sich z.B. ein gegenständlich bezogener Pflichtteilsverzicht nach §§ 2346 ff. BGB erstreckt. Verbindlichkeiten, die auf wiederkehrende Leistungen gerichtet sind, werden dabei mit ihrem Kapitalwert berücksichtigt. Unberücksichtigt bleiben hingegen aufschiebend bedingte Rechte und Verbindlichkeiten (§ 2313 Abs. 1 S. 1 BGB). Auflösend bedingte Rechte kommen dagegen voll zum Ansatz (§ 2313 Abs. 1 S. 2 BGB). Differenzen, die sich nach Bedingungseintritt ergeben, sind später auszugleichen (§ 2313 BGB).