Isabelle Losch, Gabriela Hack
Rz. 240
Verpflichtender Inhalt einer Patientenverfügung kann nur rechtlich erlaubtes Handeln sein, das schützenswerten Belangen des Adressaten nicht zuwiderläuft. Letztlich wird kein Adressat sich der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen. Daher stellt sich unter strafrechtlichen Gesichtspunkten die Frage, inwieweit ein Sterbewunsch in einer Patientenverfügung Berücksichtigung finden kann, ohne dass sich der Handelnde in die Gefahr einer strafbaren Handlung begibt.
a) Verlangen nach aktiver Sterbehilfe
Rz. 241
Aktive Sterbehilfe, also die Verkürzung des verlöschenden Lebens durch eine aktive Einflussnahme auf den Krankheits- und Sterbeprozess, ist auch durch eine dahin lautende Patientenverfügung vor Eintritt des Hirntodes nicht gerechtfertigt. Auch das Verlangen nach aktiver Tötung als Mittel zur Schmerzbeseitigung ist unabhängig vom Vorliegen einer dahin gehenden Patientenverfügung strafbar nach § 216 StGB. Ein diesbezüglich geäußerter Wunsch wird vom Adressaten der Patientenverfügung daher schwerlich befolgt werden können.
Rz. 242
Seit dem 10.12.2015 ist die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung in § 217 StGB unter Strafe gestellt. Angehörige und dem Betroffenen nahestehende Personen, die nicht geschäftsmäßig handeln, bleiben als Teilnehmer straffrei. Das BVerfG hat mit Urteil vom 26.2.2020 (2 BvR 2347/15 u.a.) entschieden, dass § 217 StGB mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar ist, und dass ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben ein Ausdruck persönlicher Autonomie ist.
Wie die Suizidassistenz rechtlich zu behandeln ist, wurde im Rahmen der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts nicht geregelt. Es ist umstritten, ob der mit freiem Willen gefasste Beschluss des Betreuten zur Unterstützung zum Suizid zu einer Handlungspflicht des Betreuers führen kann.
b) Hilfe im Sterben durch Schmerztherapie ohne lebensverkürzendes Risiko
Rz. 243
Eine Schmerztherapie ohne lebensverkürzendes Risiko ist selbst dann zulässig, wenn dies zu einer Bewusstseinstrübung führt. Ein entsprechender Wunsch in der Patientenverfügung kann daher unter strafrechtlichen Gesichtspunkten nicht zurückgewiesen werden. Im Übrigen ist eine palliativmedizinische Behandlung gerade auch ärztliche Pflicht bei der Behandlung sterbender Patienten.
c) Indirekte Sterbehilfe – Schmerztherapie mit ggf. lebensverkürzender Auswirkung
Rz. 244
Auch eine Schmerztherapie, die mit einer lebensverkürzenden Auswirkung als unbeabsichtigter Nebenfolge einhergeht, wird für straflos erachtet und kann unproblematisch in einer Patientenverfügung angeordnet werden. Ein behandelnder Arzt darf in Übereinstimmung mit einem entsprechenden Patientenwillen schmerzstillende Medikamente selbst dann verabreichen, wenn diese als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen. Diese sog. indirekte Sterbehilfe soll einen Tod in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen ermöglichen, auch wenn hierdurch das Risiko der Lebensverkürzung besteht. Dieses Rechtsgut ist als höherwertig einzustufen als die Aussicht, unter schwersten, insbesondere sog. Vernichtungsschmerzen noch kurze Zeit länger leben zu müssen.
d) Passive Sterbehilfe durch Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen
Rz. 245
Stellt der behandelnde Arzt im Einvernehmen mit dem Betreuer bzw. Bevollmächtigten fest, dass der Patient in einer Patientenverfügung lebenserhaltende Maßnahmen konkret abgelehnt hat und die Verfügung auf die aktuelle Behandlungssituation zutrifft und somit seinem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht, so sind die lebensverlängernden Maßnahmen zu unterlassen, zu begrenzen bzw. gänzlich einzustellen. Denn nach § 1827 Abs. 3 BGB (§ 1901a Abs. 3 BGB a.F.) gelten die Anordnungen in der Patientenverfügung unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung.
Diese passive Sterbehilfe ist rechtlich zulässig, da es hierbei darum geht, einen natürlichen Krankheitsverlauf seinen Fortgang nehmen zu lassen. Es liegt ein Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen vor und nicht eine aktive Lebensverkürzung in dem Sinne, den Tod schneller herbeizuführen als bei einem natürlichen Verlauf.
Darauf, ob der Sterbevorgang bereits eingesetzt hat oder nicht, kommt es nicht an. Das heißt, dass der Betroffene eine Heilbehandlung auch dann ablehnen darf, wenn sie seine ohne Behandlung zum Tod führende Krankheit besiegen oder den Eintritt des Todes weit hinausschieben könnte.
Rz. 246
Die dargestellten Grundsätze gelten auch für den Abbruch der mit einer PEG-Magensonde ermöglichten künstlichen Ernährung.
Kann ...