Isabelle Losch, Gabriela Hack
a) Selbstbindung des Betreuungsbedürftigen
Rz. 169
Nach § 1816 Abs. 2 S. 3 BGB (§ 1897 Abs. 4 S. 3 BGB a.F.) ist der Betreuungsbedürftige an früher geäußerte Wünsche für den Fall, dass der zu betreuende Volljährige erkennbar nicht mehr an diesen Wünschen festhalten will, nicht gebunden. Er kann diese auch jederzeit widerrufen. Insoweit besteht also keine Selbstbindung des Verfügenden. Sowohl in Hinblick auf die Auswahl des Betreuers als auch im Hinblick auf die sonstigen Wünsche gilt also der jeweils aktuelle Wille des Betroffenen. Wegen der leichten Beeinflussbarkeit vieler Betreuungsbedürftiger muss jedoch besonders darauf geachtet werden, ob eine wirkliche Willensänderung vorliegt oder der Betroffene nicht vielmehr dem Willen anderer nachgibt. So reichen bloße Zweifel, ob der Betreuungsbedürftige an seinen in der Betreuungsverfügung festgelegten Wünschen festhalten will, nicht aus. In der Situation der Betreuung muss feststehen, dass die geänderten Vorstellungen keiner momentanen Stimmungsschwankung entsprungen, sondern ernsthaft gewollt sind.
Rz. 170
Liegt somit keine wirkliche Willensänderung des Betreuten vor, muss von einer Selbstbindung der Betreuungsverfügung ausgegangen werden. Gleiches gilt für den Fall der Bewusstlosigkeit des Betreuten.
b) Bindung des Betreuungsgerichts
aa) Bindung an den Betreuervorschlag
Rz. 171
Das Betreuungsgericht ist entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen an die Wünsche des Verfügenden bezüglich des Vorschlags zum Betreuer nur gebunden, sofern der vorgeschlagene Betreuer zur Führung der Betreuung gem. § 1816 Abs. 1 BGB geeignet ist (zuvor: geeignet gem. § 1897 Abs. 1 BGB a.F. und gem. § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB a.F. dem Wohl des Betreuten nicht zuwiderläuft), die Unvereinbarkeitsregelung des § 1816 Abs. 6 BGB (§ 1897 Abs. 3 BGB a.F.) nicht entgegensteht und der Vorgeschlagene die Übernahme der Betreuung nicht ablehnt. Der ausgewählte Betreuer hat die Betreuung zu übernehmen, es sei denn, dass die Übernahme aus familiären, beruflichen oder sonstigen Verhältnissen unzumutbar ist. Die Ablehnung der in § 1819 BGB (§ 1898 BGB a.F.) normierten Übernahmepflicht ist sanktionslos, das materiellrechtlich ausgestaltete Zustimmungserfordernis schließt jeglichen Zwang aus.
Rz. 172
Für das Gericht besteht kein Auswahlermessen, der Vorgeschlagene ist zu bestellen, wenn der Vorgeschlagene zur Führung der Betreuung gem. § 1816 Abs. 1 BGB fachlich und persönlich geeignet ist.
Gemäß § 1816 Abs. 1 BGB (§ 1897 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.) muss der Betreuer geeignet sein, die ihm obliegenden Aufgaben zu erledigen. Die Eignung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und unterliegt der vollen Nachprüfung in der Rechtsbeschwerde. Der Betreuer muss fachlich und persönlich geeignet sein. Betreffend der fachlichen Kompetenz muss sich diese auf den konkreten Aufgabenbereich, welcher vom Gericht angeordnet wurde, beziehen, während die persönliche Eignung alle Aufgabenbereiche betrifft. Bei einem ehrenamtlichen Betreuer prüft das Gericht zunächst im Rahmen einer Prognose gem. §§ 21, 23 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 4 BtOG, ob der Betreuer die sich aus der Betreuung ergebenden Aufgaben und Pflichten nach Maßgabe des § 1821 BGB erfüllen kann. Der Betreuer muss über die notwendigen intellektuellen und emotionalen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Besorgung des Aufgabenkreises verfügen und die Möglichkeit der persönlichen Betreuung haben. Welche Anforderungen konkret zu erfüllen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von den zu erledigenden Aufgaben.
Rz. 173
Der Gesetzgeber ist davon abgewichen, das Wohl des Betreuten bei Beurteilung des Betreuers als Maßstab neben der Eignung des Betreuers anzusetzen. Wird von dem zu Betreuenden eine bestimmte Person als Betreuer gewünscht, ist das Gericht lediglich gem. § 1816 Abs. 2 S. 1 BGB an diesen Wunsch nicht gebunden, wenn diese zur Führung der Betreuung nicht geeignet ist, da es nunmehr alleine maßgeblich ist, ob die gewünschte Person voraussichtlich willens und in der Lage ist, die Angelegenheiten des Volljährigen in den maßgeblichen Aufgabenbereichen gem. § 1821 BGB zu führen und insbesondere hierfür den erforderlichen Kontakt mit dem Betreuten zu halten. Dies wurde bis dato für die Fälle angenommen, in denen ein gefährliches Abhängigkeitsverhältnis, ein erkennbares Desinteresse, Unvermögen oder eigene Gebrechlichkeit des Vorgeschlagenen besteht. Ist der Vorgeschlagene an sich nicht ungeeignet und stände eine geeignetere Person als Betreuer zu Verfügung, hat der Wille des Verfügenden trotz allem Vorrang. Die in der Betreuungsverfügung benannte Person wird als ungeeignet angesehen, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sie die Betreuung für den Betreuungsbedürftigen nicht zu dessen Wohl, nunmehr nach dessen Wunsch und mutmaßlichen Willen, führen kann oder will, etwa wegen der falschen Einschätzung des Pflegebedarfs und dadurch einer gesundheitlichen Gefährdung des Betreuungsbedürftigen oder wegen ungeklärter Abhebungen von dessen Konten in der Vergangenheit.
Rz. 174
Wird ein Vereins- oder B...