Isabelle Losch, Gabriela Hack
a) Rechtliche Grundlagen
Rz. 125
Vor Eintritt der Geschäftsunfähigkeit kann der Vollmachtgeber den Bevollmächtigten wirksam selbst überwachen und einem etwaigen Missbrauch der Vollmacht entgegentreten, indem er die Vollmacht widerruft. Dies ist nach Eintritt der Geschäftsunfähigkeit nicht mehr möglich.
Nach dem Tod des Vollmachtgebers kann eine trans- bzw. postmortale Vollmacht jederzeit von den Erben widerrufen werden. Jeder Miterbe hat mit Wirkung für sich das Recht, die Vollmacht zu widerrufen. Dies gilt auch während einer bestehenden Erbengemeinschaft und trotz angeordneter Testamentsvollstreckung.
Voraussetzung für den Widerruf ist, dass der Widerrufende sich erbrechtlich – durch Vorlage des Erbscheins oder Testaments mit Eröffnungsprotokoll – legitimieren kann. Gelingt ihm dies nicht, kann kein wirksamer Widerruf erfolgen. Gläubiger sollten jedoch, auch wenn ein Widerruf nicht möglich ist, zumindest bösgläubig gemacht werden.
Das Widerrufsrecht steht auch dem Nachlassverwalter und dem Nachlasspfleger zu, ebenso dem Testamentsvollstrecker, Letzterem vorbehaltlich der vom Erblasser getroffenen Testamentsbestimmungen, welcher dem Testamentsvollstrecker die Befugnis zum Widerruf gem. § 2208 Abs. 1 BGB entziehen kann.
Rz. 126
Wurde der Widerruf vom Vollmachtgeber ausgeschlossen, kann die Vollmacht von den Erben immer noch aus einem wichtigen Grund widerrufen werden.
Rz. 127
Dass das auf den Erben übergegangene Widerrufsrecht häufig keinen Schutz bietet, weil der Widerruf zu spät erklärt wird, ist im Hinblick auf den Zweck einer postmortalen Vollmacht hinzunehmen. Sie soll es dem Bevollmächtigten gerade ermöglichen, unabhängig vom Willen der Erben und auch vor deren Ermittlung tätig werden zu können. Der Bevollmächtigte handelt nämlich, obwohl er nun die Erben vertritt, aufgrund einer Vollmacht des Erblassers. Dieser hat Zeitdauer und Umfang festgelegt. Sein Wille bleibt bis zum Widerruf durch die Erben maßgeblich, so dass es auf die Zustimmung der Erben zu dem Handeln des Bevollmächtigten nicht ankommt. Deshalb kann die Bank auch nicht gehalten sein, eine solche Zustimmung abzuwarten oder ihre Erteilung oder Versagung durch Zuwarten zu ermöglichen.
Rz. 128
Praxistipp
Vom Rechtsanwalt sollte bei Missbrauchsgefahr zu Lasten des Mandanten der sofortige Widerruf unter Nachweis der erbrechtlichen Legitimation schriftlich erklärt werden. Kann sich der Mandant erbrechtlich nicht legitimieren, muss eine Kontensperrung beantragt werden, wenn dargestellt werden kann, dass die Erben noch unbekannt sind.
b) Widerruf und Rechtsscheinswirkung der Vollmacht gemäß § 172 BGB
Rz. 129
Gemäß § 172 Abs. 2 BGB besteht die Vertretungsmacht so lange fort, bis die Urkunde an den Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird; bis dahin darf der gutgläubige Geschäftspartner auf das Fortbestehen der Vollmacht vertrauen.
Das bedeutet, dass selbst wenn die Vollmacht wirksam widerrufen wurde, die einmalige Vorlage der Vollmachtsurkunde beim ersten Rechtsgeschäft mit dem Dritten genügt, auf die dann bei jedem weiteren Vertretergeschäft Bezug genommen werden kann.
Rz. 130
Praxistipp
Es empfiehlt sich daher u.U., eine Wirksamkeitsklausel in die Vollmacht mit aufzunehmen, die besagt, dass die Vollmacht nur wirksam ist, soweit und solange der Bevollmächtigte bei der Vornahme einer jeden Vertreterhandlung auch im unmittelbaren Besitz der Vollmacht ist. Wurde eine solche oder ähnliche Klausel in die Vollmacht mit aufgenommen, lassen sich Streitigkeiten über den genauen Geschäftsabschluss und die Urkundenrückgabe vermeiden. Denn der Geschäftspartner hat zu beweisen, dass der Vertreter zum Zeitpunkt des Abschlusses eines jeden Vertretergeschäfts im unmittelbaren Besitz einer Vollmacht war.