Isabelle Losch, Gabriela Hack
Rz. 40
Umfasst die Vollmacht auch die Entscheidungsbefugnis zur Einwilligung des Bevollmächtigten in Untersuchungen des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff mit der begründeten Gefahr, dass der Vollmachtgeber aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet, so bedarf die Bevollmächtigung nach § 1820 Abs. 2 BGB (§ 1904 Abs. 5 BGB a.F.) der schriftlichen Form (§ 126 BGB) und muss die jeweiligen Maßnahmen ausdrücklich umfassen. Gleiches gilt gem. § 1820 Abs. 2 BGB für eine freiheitsentziehende Unterbringung (§ 1906 Abs. 5 BGB a.F.) bzw. für freiheitsbeschränkende Maßnahmen sowie für ärztliche Zwangsmaßnahmen (§ 1906a Abs. 5 BGB a.F.) bzw. für die Verbringung des Betroffenen gegen seinen natürlichen Willen zu einem stationären Aufenthalt in ein Krankenhaus.
Per Legaldefinition des § 1832 Abs. 1 BGB (§ 1906a Abs. 1 S. 1 BGB a.F.) handelt es sich bei einer Untersuchung des Gesundheitszustands, einer Heilbehandlung oder einem ärztlichen Eingriff gegen den natürlichen Willen des Betreuten bzw. Vollmachtgebers um eine ärztliche Zwangsmaßnahme.
In allen vorbenannten Fällen muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann.
Eine Einwilligung in die vorbenannten Maßnahmen bedarf jeweils der Genehmigung des Betreuungsgerichts, §§ 1829 Abs. 1, 1831 Abs. 2, 1832 Abs. 2 BGB (§§ 1904 Abs. 1, 1906 Abs. 2, 1906a Abs. 2 BGB a.F.) (siehe Rdn 94 ff.).
Rz. 41
Bei der Feststellung, ob die Vollmacht auch die Übertragung der Entscheidungsbefugnisse über freiheitsbeschränkende Maßnahmen und Maßnahmen der Gesundheitssorge umfasst, ist nach Ansicht vieler Gerichte ein enger Maßstab zugrunde zu legen, der keinen Zweifel an der Reichweite der Vollmacht lässt. Hinreichend sicher, dass der Betroffene die Vollmacht gerade auch diesbezüglich erteilen wollte, ist es nur, wenn sich der Entschluss spezifisch aus der Vollmacht ergibt. Bei einem allgemeinen Vollmachtstext lässt sich dabei nicht ausschließen, dass der Betroffene an diese Tragweite und Folge der Vollmacht nicht gedacht und diese Entscheidung daher nicht bewusst so getroffen hat.
Rz. 42
Auch eine notariell beurkundete Vollmacht, die es dem Vertreter gestattet, den Vollmachtgeber "in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten", ist in der Aussage zu pauschal und zeigt nicht, ob sich der Betroffene bei Abgabe der Erklärung bewusst war, welche weit reichenden Maßnahmen der Vertreter für ihn treffen kann. Aufgrund ihrer Unbestimmtheit ist die Vollmacht im Hinblick auf eine Einwilligung in eine Maßnahme nach §§ 1829, 1831 bzw. 1832 BGB (§§ 1904, 1906 bzw. 1906a BGB a.F.) ungenügend, was dazu führt, dass in einem solchen Fall die Anordnung einer Betreuung erforderlich wird.
Praxistipp
Daher ist es dringend geboten, nicht bloß eine abstrakte Formulierung zu wählen, sondern die einzelnen Bereiche so gegenständlich wie möglich zu beschreiben. Dabei empfiehlt sich eine enge Anlehnung an die gesetzliche Wortwahl bzw. die wörtliche Übernahme, um in aller Deutlichkeit sicherzustellen, dass der Betroffene bewusst und gewollt gerade auch in diesem Punkt Vollmacht geben wollte.
Rz. 43
In § 1820 Abs. 2 BGB ist das Schriftformerfordernis für besondere Maßnahmen der medizinischen Behandlung oder der Freiheitsentziehung niedergeschrieben, wobei die Befugnis ausdrücklich niedergeschrieben werden muss, die Nennung der Norm allein genügt nicht.
Nicht ausreichend ist somit, lediglich auf die §§ 1829, 1831, 1832 BGB (§§ 1904, 1906, 1906a BGB a.F.) in der Vollmachtsurkunde zu verweisen. Ebenfalls nicht ausreichend ist eine Ermächtigung zu allen Handlungen, die einem Betreuer nach §§ 1814 ff. BGB (§§ 1896 ff. BGB a.F.) obliegen, oder die Ermächtigung zu freiheitsbeschränkenden Maßnahmen (§ 1831 BGB, § 1906 Abs. 4 BGB a.F.), wenn es um eine freiheitsentziehende Maßnahme geht (§ 1832 BGB, § 1906 Abs. 1 BGB a.F.).
Rz. 44
Insbesondere ist zu beachten, dass selbst eine umfassende Bevollmächtigung zur Vornahme von Rechtsgeschäften den Bevollmächtigten gerade nicht zur Vertretung des Vollmachtgebers in den Bereichen Gesundheitssorge und Bestimmung des Aufenthalts berechtigt.
Rz. 45
Für Alt-Vollmachten gilt Folgendes: Die meisten Vorsorgevollmachten, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Februar 2013 errichtet wurden, dürften keine ausdrückliche Regelung der ärztlichen Zwangsmaßnahmen enthalten, zumal dies auch die amtlichen Vordrucke nicht vorsahen. Da es in § 1906a BGB a.F. keine Übergangsregelung für Alt-Vollmachten gab, gilt das Erfordernis der ausdrücklichen Regelung in der Vollmacht uneingeschränkt, so dass Alt-Vollmachten hinsichtlich der ärztlichen Zwangsmaßnahmen aktualisiert werden mussten, um eine Betreuerbestellung insoweit zu...