Isabelle Losch, Gabriela Hack
I. Allgemeines
Rz. 251
Mit der Reform zum Vormundschafts- und Betreuungsrecht trat zum 1.1.2023 der § 1358 BGB n.F. in Kraft, welcher das Ehegattenvertretungsrecht normiert. § 1358 BGB soll bei bestehender Unfähigkeit des zu vertretenen Ehegatten, seine Angelegenheiten aufgrund von Krankheit oder Bewusstlosigkeit zu besorgen, dem vertretenden Ehegatten die Möglichkeit geben, diesen für eine beschränkte Zeit bei Vorliegen der Voraussetzungen wirksam bei Maßnahmen, die nicht aufgeschoben werden können, zu vertreten. Dies ist weder ein umfassendes Vertretungsrecht, da es lediglich die Gesundheitsfürsorge und diesbezügliche Maßnahmen betrifft, noch ein reines Notvertretungsrecht. In Situationen, gerade auch am Lebensende, kann zwar das Durchlaufen eines formalen Betreuungsverfahrens hierdurch vermeiden werden. Im Ergebnis kann es jedoch keine Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung ersetzen. Diese sind zu errichten.
Rz. 252
Das Ehegattenvertretungsrecht ist eine vollmachtlose Vertretungsmöglichkeit, welche die Einrichtung einer Betreuung entbehrlich macht. Dadurch sollen unter anderem auch Kosten für die Gerichte eingespart werden.
Sollte der vertretende Ehegatte selbst geschäftsunfähig werden, spricht dies für den Wegfall des Vertretungsrechts als allgemeiner Ausschlussgrund, was folglich zu der Notwendigkeit einer Betreuung führt.
Rz. 253
Andere europäische Länder kennen ein Ehegattenvertretungsrecht nicht. In Österreich besteht die Möglichkeit der Einrichtung eines Erwachsenenvertretungsrecht durch einen oder mehrere Angehörige gem. §§ 268–270 ABGB. Dieses ist auf drei Jahre befristet, kann jedoch erneuert werden. In der Schweiz kann gem. Art. 374 ff. ZGB eine beschränkte gesetzliche Angehörigenvertretung eingeräumt werden. In Norwegen ist eine Vertretung für Ehegatten und nahe Verwandte ebenfalls möglich, wenn eine Person aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist seine Angelegenheiten zu erledigen.
II. Voraussetzungen
1. Persönliche Voraussetzung
Rz. 254
Gemäß Art. 15 EGBGB gilt § 1358 BGB für alle im Inland lebenden Ehegatten sowie über § 21 LPartG auch für auf alle eingetragenen Lebenspartnerschaften. Auf Lebensgefährten, Eltern und Abkömmlinge kann diese Vorschrift nicht analog angewandt werden. Es endet mit dem Getrenntleben gem. § 1567 BGB der Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner.
§ 1358 BGB ist zwingend für Heilbehandlung, die im Inland durchgeführt werden, anwendbar gem. Art. 15 EGBGB bzw. Art. 17b Abs. 2 EGBGB, selbst wenn die anderen koalitionsrechtlichen Vorschriften für den Güterstand ein anderes Recht anwenden würden.
Die Übernahme des Ehegattenvertretungsrechts ist für den vertretenden Ehegatten jedoch nicht verpflichtend.
2. Sachliche Voraussetzung (§ 1358 Abs. 1 BGB)
Rz. 255
Voraussetzung ist, dass der zu vertretende Ehegatte kann gem. § 1358 Abs. 1 BGB seine Angelegenheit betreffend die Gesundheitsfürsorge aufgrund von Krankheit oder Bewusstlosigkeit nicht besorgen kann. Gem. § 630d Abs. 1 S. 4 BGB wäre dies der Fall, wenn die Einwilligung für eine unaufschiebbare medizinische Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, diese jedoch ohne Einwilligung des Patienten durchgeführt werden kann, wenn diese dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.
Rz. 256
Eine genaue Definition für die Begriffe Krankheit und Bewusstlosigkeit ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Betreffend den Begriff der Krankheit soll sich an § 1814 Abs. 1 BGB orientiert werden. Spickhoff schlägt vor, den Begriff der Krankheit nach dem im Krankenversicherungsrecht bspw. in § 27 SGB V verwandten Begriff zu definieren. Danach ist eine Krankheit gegeben, wenn bei dem Patienten ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand vorliegt, dessen Eintritt entweder allein die Notwendigkeit von Heilbehandlung oder zugleich oder ausschließlich die Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Der Begriff der Bewusstlosigkeit soll anhand des § 827 BGB definiert werden, mithin das Fehlen des Bewusstseins oder eine hochgradige Bewusstseinstrübung, in dessen Folge der Patient den Inhalt und das Wesen seiner Handlungen ganz oder in bestimmter Richtung nicht mehr erkennen kann. Hierunter würden sodann auch eine intellektuelle Behinderung wie Demenz zu subsumieren sein.
Rz. 257
Eine Einwilligungsunfähigkeit oder Geschäftsunfähigkeit wird nicht gefordert, der zu ...