Isabelle Losch, Gabriela Hack
Rz. 100
Dem Bevollmächtigten kann die Entscheidung übertragen werden, in freiheitsentziehende Maßnahmen einzuwilligen, um den Vollmachtgeber vor einer konkreten Eigengefährdung zu schützen. Dabei kann der Bevollmächtigte auch dazu ermächtigt werden zu überprüfen, ob eine ärztlich vorgeschlagene Schutzmaßnahme zur Verhinderung einer konkreten Eigengefährdung auch tatsächlich erforderlich und unumgänglich ist. Insbesondere fallen hierunter Entscheidungen über das Anbringen von Bettgittern, das Fixieren mit einem Gurt oder anderen mechanischen Vorrichtungen, die Verabreichung von Schlafmitteln und Psychopharmaka, das regelmäßige Einschließen in ein Zimmer sowie alle sonstigen Maßnahmen, die den Vollmachtgeber daran hindern sollen, sich frei zu bewegen.
Rz. 101
Eine freiheitsentziehende Maßnahme liegt vor, wenn der Vollmachtgeber in seiner körperlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird, was laut BGH jedenfalls dann zu bejahen ist, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Betroffene zu willensgesteuerten Aufenthaltsveränderungen in der Lage wäre, an denen er durch die Maßnahme über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig gehindert wird.
Rz. 102
Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Vollmachtsurkunde die Maßnahmen nach § 1831 Abs. 4 BGB (§ 1906 Abs. 4 BGB a.F.) ausdrücklich umfasst. Zu beachten ist auch hier, dass trotz einer wirksamen Bevollmächtigung die Genehmigung des Betreuungsgerichts einzuholen ist. Weiterhin ist zu beachten, dass im Tenor bei einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung mit aufzunehmen ist, dass die Durchführung und Dokumentation durch einen Arzt zu erfolgen hat. Anderenfalls sind die Maßnahmen nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, wobei dann die Genehmigung unverzüglich nachzuholen ist.
Rz. 103
Die Genehmigungspflicht greift nicht ein, wenn der Betroffene in einer Familie lebt, da sich der Betreute in einem Krankenhaus, Heim oder sonstigen Einrichtung aufhalten muss, und die genannten Maßnahmen dort getroffen werden müssen, ferner dann nicht, wenn der Betroffene ohnehin bewegungsunfähig ist, da dann keine Freiheitsbeschränkung vorliegt. Sollte der Betroffene jedoch in seiner eignen Wohnung, in welcher er alleine lebt, vollständig durch professionelle Pflegedienste versorgt sein, so ist dies unter den Begriff sonstige Einrichtung zu subsumieren.
Ist die betroffene Person bereits nach § 1831 Abs. 1 BGB (§ 1906 Abs. 1 BGB a.F.) untergebracht, so ist für freiheitsentziehende und -beschränkende Maßnahmen nach Abs. 4 keine weitere betreuungsgerichtliche Genehmigung erforderlich, da diese Maßnahmen von der ersten Genehmigung gedeckt sind.
Mit der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts wurde auch hier der Zusatz "Wohl des Betreuten" im Rahmen der Erforderlichkeit gestrichen. Inhaltlich ist dies wie erörtert ohne Bedeutung, es soll lediglich eine Distanzierung von dem bevormundenden Wesen im Betreuungswesen hin zum Prinzip der Selbstbestimmung erfolgen.
§ 1831 Abs. 4 BGB gilt bei dem neu geschaffenen Ehegattenvertretungsrecht gem. § 1358 Abs. 6 BGB, wobei die Maßnahmen gem. § 1831 Abs. 4 BGB sechs Wochen nicht überschreiten darf. Zum Ehegattenvertretungsrecht siehe ausführlich Rdn 251 ff.