Isabelle Losch, Gabriela Hack
1. Auswahl des Bevollmächtigten
a) Auswahl des Bevollmächtigten unter dem Aspekt des Erforderlichkeitsgrundsatzes nach § 1814 Abs. 3 Nr. 1 BGB (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB a.F.)
aa) Ungeeignete Personen
Rz. 46
Der Bevollmächtigte muss als solcher geeignet sein, den Vollmachtgeber zu vertreten. Denn nach § 1814 Abs. 3 Nr. 1 BGB (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB a.F.) ist die Betreuung nur dann subsidiär, wenn die Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten ebenso gut besorgt werden können. Ist der Bevollmächtigte zu einer Regelung der Angelegenheiten ungeeignet, kann eine Betreuung aus diesem Grund erforderlich werden. Ungeeignet ist ein Bevollmächtigter, wenn er geschäftsunfähig ist.
Rz. 47
Dem Betreuungsgericht stehen bei der Überprüfung, ob eine Betreuung erforderlich ist, nur objektive Kriterien zur Verfügung. Die Interessen des Vollmachtgebers müssen konkret verletzt sein. Bloße Zweifel am Charakter oder an den intellektuellen Kapazitäten der Fürsorgeperson, auch wenn sie nach ihrem bisherigen Lebenslauf berechtigt sein mögen, können nicht zur Erforderlichkeit der Betreuung führen. Der Bevollmächtigte wurde schließlich vom Vollmachtgeber freiwillig und persönlich ausgesucht.
Es genügt nicht, dass aus der objektivierten Sicht eines Richters die Wünsche oder den mutmaßlichen Willen, die Interessen des Betroffenen eher oder besser durch einen professionellen Betreuer als durch den Bevollmächtigten wahrgenommen werden können. Auch genügt es nicht, dass die Wertvorstellungen des Bevollmächtigten, nach denen er die Vollmacht ausübt, in Teilbereichen allgemeinen Wertvorstellungen zuwiderlaufen. Auch Spannungen zwischen dem Bevollmächtigten einerseits und dem Pflegepersonal oder den behandelnden Ärzten andererseits genügen nicht, die Vollmacht ungeachtet zu lassen und eine Betreuung einzurichten.
Rz. 48
Die Angelegenheiten des Betroffenen können aber dann durch den Bevollmächtigten nicht mehr ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden, wenn die Wahrnehmung den Wünschen des Betroffenen zwar entspricht, der Bevollmächtigte jedoch nicht geeignet ist (früher: eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet). Ein Bevollmächtigter ist nicht geeignet, wenn sein Handeln nicht gemäß den Maßgaben des § 1821 BGB erfolgt. Der vom Betroffenen gewünschte Bevollmächtigte muss willens und in der Lage sein, die Angelegenheiten des Volljährigen in den maßgeblichen Aufgabenbereichen nach Maßgabe des § 1821 BGB zu führen und den erforderlichen Kontakt mit dem Betroffenen zu halten. Es ist danach zu beurteilen, ob er sich im Rahmen seines Handelns an die Zweckbindung der Bevollmächtigung hält, d.h. an den erteilten Auftrag durch den Vollmachtgeber und die damit verbundenen Weisungen und Wünsche des Vollmachtgebers. Der Bevollmächtigte ist ebenfalls ungeeignet, wenn er eigenmächtig oder aufgrund des Verhaltens eines Dritten die Aufgaben nicht erfüllen kann. Erhebliche Zweifel an der Redlichkeit des Bevollmächtigten liegen ebenfalls vor, wenn etwa Vermögensdelikte im Raum stehen. Jedoch lässt allein der Umstand, dass der Bevollmächtigte aus dem Vermögen des Vollmachtgebers Schenkungen an sich selbst oder seine eigenen Angehörigen vornimmt, nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass er unredlich sei. Wenn die Vorsorgevollmacht ausdrücklich zur Vornahme von Schenkungen berechtigt, kann der Bevollmächtigte hiervon auch Gebrauch machen. Für Zweifel an seiner Redlichkeit müssen weitere Aspekte hinzutreten, etwa konkrete Feststellungen über bestehende Beschränkungen der Schenkungsvollmacht im Innenverhältnis, insbesondere ob die Vermögensverfügungen dem früher geäußerten Willen des Vollmachtgebers widersprachen oder eine konkrete Gefahr für dessen Wohl begründeten und deshalb einen Vollmachtsmissbrauch darstellten.
Rz. 49
Durch die Abwendung von dem Wohl des Betreuten hin zu dessen Wünschen als Richtschnur, und damit auch zur Abwendung von der Interessenorientierung der betreuten Person, ist einer möglichen Freiheitsbeschränkung des Betroffenen entgegengetreten worden. Sollte der Betreuer die Wünsche nicht ermitteln können, auch weil diese nicht aktiv geäußert werden, hat er den mutmaßlichen Willen des Betreuten zu ermitteln. Die Angelegenheiten sind nunmehr so zu besorgen, dass der Betreute im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Leben nach seinen Wünschen gestalten kann (§ 1821 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Befolgung der Wünsche findet jedoch ihre Grenzen in § 1821 Abs. 3 Nr. 1 BGB, wenn die Person des Betreuten oder dessen Vermögen erheblich gefährdet werden würde und der Betreute diese Gefahr aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.