Isabelle Losch, Gabriela Hack
1. Grundsätzliches
Rz. 142
Da der Bevollmächtigte nicht die Stellung eines gesetzlichen Vertreters erlangt, ist im Rechtsverkehr niemand verpflichtet, sich auf eine Bevollmächtigung einzulassen. Es gelten die Prinzipien der Vertragsfreiheit. Gleichwohl lässt sich das Wirtschaftsleben weitgehend auf Geschäfte, die über Bevollmächtigte abgewickelt werden, ein. Bei Bedenken kann schließlich jederzeit Rückfrage beim Vollmachtgeber eingeholt werden. Ist dies nicht möglich, weil der Vollmachtgeber hierzu aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist, muss im Einzelfall trotz wirksamer Vollmachtserteilung nach § 1814 Abs. 1 und 2 BGB (§ 1896 Abs. 1 und 2 BGB a.F.) ein Betreuer mit dem entsprechenden Aufgabenkreis gerichtlich bestellt werden. Für den Umfang der Betreuung vgl. § 1815 Abs. 1 und 2 BGB.
2. Vollmachtswiderruf im vermögensrechtlichen Bereich
Rz. 143
Ein Widerruf ist durch den Vollmachtgeber nur möglich, solange er geschäftsfähig ist. Er kann das Recht zum Widerruf aber z.B. auf seinen Kontrollbevollmächtigten übertragen. Auch der Betreuer bzw. der Kontrollbetreuer kann den Widerruf von erteilten Vollmachten erklären, sofern dies von seinem Aufgabenkreis umfasst ist.
Der Kontrollbetreuer (§ 1815 Abs. 3 BGB) wiederum kann nunmehr gemäß § 1820 Abs. 5 BGB die Vorsorgevollmacht umfassend widerrufen, ohne hierfür den Aufgabenkreis explizit zugewiesen bekommen zu haben. Dies ist eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des BGH. Der Widerruf ist genehmigungsbedürftig (vgl. Rdn 125).
Zwar können Vollmachten unwiderruflich gestaltet werden, Vorsorgevollmachten sind jedoch grundsätzlich widerruflich, da die Privatautonomie sonst übermäßig eingeschränkt würde (§ 168 S. 2 BGB). Vollmachten, die im ausschließlichen Interesse des Vollmachtgebers stehen, können nicht unwiderruflich ausgestaltet werden. Damit sind auch Vorsorgevollmachten widerruflich, denn sie dienen in der Regel nur dem Interesse des Vollmachtgebers und haben den Charakter von Generalvollmachten.
Rz. 144
Zwar kann es im Missbrauchsfall hilfreich sein, eine Vollmacht widerrufen zu können. Gerade im Bereich der rechtsgeschäftlichen transmortalen Vollmachten kann der Vollmachtgeber aber ein erbrechtliches Interesse an der Unwiderruflichkeit der Vollmacht haben. Der Nachteil der post- bzw. transmortalen Vollmacht ist, dass sie seitens der Erben jederzeit widerrufen werden kann (vgl. auch Rdn 142). Gleiches gilt für den Nachlassverwalter, den Nachlasspfleger sowie nach h.M. auch für den Testamentsvollstrecker. Jeder Miterbe hat mit Wirkung für sich das Recht, die Vollmacht zu widerrufen. Dies gilt auch während einer bestehenden Erbengemeinschaft und trotz angeordneter Testamentsvollstreckung. Ist der Widerruf durch den Vollmachtgeber ausgeschlossen, kann die Vollmacht nur aus einem wichtigen Grund widerrufen werden.
Ein Widerruf der Vollmacht kann nur durch entsprechende erbrechtliche Strafklauseln und Auflagen verhindert werden. So kann beispielsweise ein den Erben belastendes aufschiebend bedingtes Vermächtnis für den Fall, dass dieser die Vollmacht widerruft, seitens des Erblassers ausgesetzt werden.
Rz. 145
Eine Widerrufserklärung wird mit Zugang beim Empfänger wirksam und bewirkt das Erlöschen der Vollmacht. Danach ist ein Widerruf des Widerrufs nicht möglich; im Bedarfsfall muss die Vollmacht neu erteilt werden.
3. Grenzen von Vollmachten im persönlichen Bereich
Rz. 146
Wie auch sonst im Rechtsverkehr gilt bei Abschluss eines Arzt- und Behandlungsvertrages sowie bei anderen, die Personensorge betreffenden Verträgen der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Da auch im Arztrecht grundsätzlich die Vertragsautonomie herrscht, kann der Arzt – abgesehen von Notfällen – eine Behandlung, die an bestimmte Wünsche und Vorstellungen gebunden sein soll, ablehnen. Daher braucht sich ein Arzt nicht auf eine Behandlung einzulassen, bei der er Willen und Wünsche nicht vom Patienten, sondern nur über einen Bevollmächtigten erfährt. Dies gilt umso mehr, wenn der Bevollmächtigte ärztliche Maßnahmen herbeiführen will, von denen ein Arzt im Interesse des Patienten abrät. Hier kann somit im Einzelfall eine Betreuerbestellung nach § 1814 Abs. 1 und 2 BGB (§ 1896 Abs. 1 und 2 BGB a.F.) erforderlich werden.