Dr. iur. Nikolas Hölscher
a) Zustimmungsbedürftigkeit im Personengesellschaftsrecht
Rz. 17
Im Personengesellschaftsrecht bedarf die gewillkürte Stellvertretung durch einen Vorsorgebevollmächtigten im Falle der Geschäftsunfähigkeit eines Gesellschafters nach h.M. stets der Zustimmung der Mitgesellschafter. Und zwar sowohl für die Ausübung von Gesellschafterrechten als auch für die Ausübung von Leitungsaufgaben. Dies zeigen folgende Erwägungen:
Rz. 18
Zwar wird für den Fall der vorübergehenden Verhinderung aufgrund Krankheit angenommen, dass ein Anspruch auf Zustimmung zur Vertretung gegen die Mitgesellschafter aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Treuepflicht besteht. Dieser Argumentation liegt die Überlegung zugrunde, dass ein Gesellschaftsanteil durch die Verweigerung der Zustimmung nicht faktisch rechtlos gestellt werden darf, wenn der Gesellschafter zur eigenen Rechtswahrnehmung objektiv nicht in der Lage ist. Im Falle einer Geschäftsunfähigkeit greift diese Argumentation jedoch gerade nicht durch. Wegen der stets möglichen Betreuung droht eine solche Rechtlosigkeit gerade nicht. Zudem kommt dem Vorsorgebevollmächtigten bei der Ausübung des Stimmrechts und der übrigen aus der Mitgliedschaft folgenden Rechte ein erheblicher Ermessensspielraum zu, welcher zugleich die Gesellschaft sowie die Interessen und Haftungsrisiken der Mitgesellschafter tangiert.
Rz. 19
Der BGH hat die Zulässigkeit der Wahrnehmung von Gesellschafterrechten einer OHG durch einen Gebrechlichkeitspfleger in einer älteren Entscheidung gerade damit begründet, dass die Mitgesellschafter gegen einen Missbrauch geschützt seien, weil der Pfleger der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts unterliege. An einer solchen Aufsicht, welche heute das Betreuungsgericht ausüben würde, fehlt es im Fall der Vorsorgevollmacht jedoch, was ebenfalls dafür spricht, dieses niedrigere Schutzniveau der Mitgesellschafter nur bei deren Zustimmung zu akzeptieren. Die dauerhafte personale Trennung von Mitgliedschaft und Rechtsausübung begründet zudem eine Doppelzuständigkeit, welche für die Mitgesellschafter Probleme aufwerfen kann.
Rz. 20
Im Ergebnis ist es aus diesen Gründen richtig, im Personengesellschaftsrecht eine umfassende gesellschaftsbezogene Vertretung nur mit Zustimmung der Mitgesellschafter zuzulassen. Ohne diese Zustimmung soll eine erteilte Vorsorgevollmacht gesellschaftsbezogen keine Wirkung entfalten. Ob die fehlende Zustimmung die Vorsorgevollmacht auch im Außenverhältnis unwirksam macht, ist umstritten (siehe Rdn 88 ff.).
b) Keine Zustimmungsbedürftigkeit im Kapitalgesellschaftsrecht
Rz. 21
Im Kapitalgesellschaftsrecht bedarf die gewillkürte Vertretung auf Gesellschafterebene durch einen Vorsorgebevollmächtigten – im Falle der Geschäftsunfähigkeit – nicht der Zustimmung der Mitgesellschafter.
Hinweis
Für die Übernahme von Organbefugnissen stellt sich die Frage der Zustimmung im Bereich der Vorsorgevollmacht wegen der automatischen Amtsbeendigung bei Geschäftsunfähigkeit nicht (siehe Rdn 6). Geht es hingegen um die Frage, ob ein GmbH-Geschäftsführer durch einen Generalbevollmächtigten vertreten werden kann, so ist hierfür analog § 46 Nr. 7 GmbHG (Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten für den gesamten Geschäftsbetrieb) die Zustimmung der Gesellschafter erforderlich.
Rz. 22
Dass eine Zustimmung der Mitgesellschafter für die Ausübung von Gesellschafterrechten durch Vorsorgebevollmächtigte nicht erforderlich ist, zeigen folgende Erwägungen: Bereits § 47 Abs. 3 GmbHG regelt den Fall der Stimmrechtsvollmacht; sie ist bei der GmbH grundsätzlich zulässig. Damit unterscheidet sich das Kapitalgesellschaftsrecht bereits im Ausgangspunkt vom Personengesellschaftsrecht, wo eine Vertretung im Einzelfall der Zustimmung aller Mitgesellschafter bedarf (siehe Rdn 17 ff.).
Rz. 23
Trotzdem wird für den Fall einer dauerhaften Vertretung durch einen Vorsorgebevollmächtigten aufgrund Geschäftsunfähigkeit eines Gesellschafters vertreten, dass diese nur mit Zustimmung der Mitgesellschafter zulässig sei. Wedemann versucht dies damit zu begründen, dass die mit einer Doppelzuständigkeit einhergehenden Probleme auch bei der GmbH drohen. Ebenfalls könne es zu einer erheblichen persönlichen Betroffenheit der Gesellschaft und der Mitgesellschafter durch das Handeln eines dauerhaft agierenden Vorsorgebevollmächtigten kommen. Wenn nicht die Voraussetzungen einer Kontrollbetreuung vorliegen, unterliege der Vorsorgebevollmächtigte keiner Aufsicht durch das Betreuungsgericht. Dieses niedrigere Schutzniveau könne ausschließlich mit Zustimmung der Mitgesellschafter akzeptiert werden.
Rz. 24
Im Ergebnis überzeugen die vorstehenden Argumente von Wedemann nicht. Denn das Schutzniveau ...