Dr. iur. Nikolas Hölscher
Rz. 55
Die Übernahme von Leitungsaufgaben durch Vorsorgebevollmächtigte ist meines Erachtens zuzulassen. Hierfür sprechen folgende Argumente:
Im Ausgangspunkt bleibt festzuhalten, dass der Grundsatz der Selbstorganschaft der Ausübung von Leitungsaufgaben durch Vorsorgebevollmächtigte im Personengesellschaftsrecht nicht entgegensteht. Mit Eintritt der Geschäftsunfähigkeit wird die Vorsorgevollmacht faktisch keineswegs zu einer unwiderruflichen und den geschäftsunfähigen Vollmachtgeber verdrängenden Vollmacht, weswegen auch kein Verstoß gegen das Abspaltungsverbot (siehe Rdn 10 ff.) und den Grundsatz der Selbstorganschaft vorliegt. Denn die Rechte des geschäftsunfähigen Vollmachtgebers gegenüber dem Bevollmächtigten können auch nach Eintritt der Geschäftsunfähigkeit durch einen Kontrollbetreuer wahrgenommen werden.
Rz. 56
Für die Zulässigkeit der Ausübung von Leitungsaufgaben durch einen Vorsorgebevollmächtigten spricht die funktionale Äquivalenz zwischen Betreuung und Vorsorgevollmacht. Auch für gesellschaftsrechtliche Sachverhalte gilt die Subsidiarität der Betreuung, weswegen Vorsorgebevollmächtigte – genau wie Betreuer, für welche die h.M. dies anerkannt – bei Personengesellschaften Leitungsaufgaben ausüben können sollten. Von diesem Ergebnis scheint auch der BGH in seiner Entscheidung vom 22.1.1962 ausgegangen zu sein (siehe Rdn 53).
Ob mit Uphoff auch eine Vertretung bei höchstpersönlichen Rechtsgeschäften möglich ist (siehe Rdn 49), bedarf einer differenzierten Betrachtung. Uphoffs Verweis auf die Rechtslage bei der GmbH & Co. KG überzeugt nicht. Denn die bei der GmbH & Co. KG anzutreffende gestufte Vertretung ist gerade ein Fall gesetzlicher Vertretung. Die KG wird gesetzlich durch die Komplementär-GmbH vertreten, die Komplementär-GmbH gesetzlich durch ihren Geschäftsführer. Die Zulassung höchstpersönlicher Rechtsgeschäfte durch den Vorsorgebevollmächtigten kollidiert mit der Entscheidung des Gesetzgebers, ausgewählte Rechtshandlungen nur höchstpersönlich oder durch den gesetzlichen Vertreter vornehmen zu lassen. Der Vorsorgebevollmächtigte ist zwar kein gesetzlicher Vertreter, aufgrund der ebenfalls getroffenen Entscheidung des Gesetzgebers die Betreuung subsidiär auszugestalten, erscheint es jedoch gut vertretbar den Vorsorgebevollmächtigten als dem Betreuer gleichgestellt zu erachten.
Rz. 57
Dennoch hat der 3. Zivilsenat des BGH durch Urt. v. 18.7.2002 der Zulässigkeit von Generalvollmachten, welche auch die organschaftlichen Kompetenzen des Geschäftsführers umfassen, eine Absage erteilt (siehe Rdn 54). Bevor auf die einzelnen Argumente und den konkreten Sachverhalt der Entscheidung eingegangen werden kann, muss man sich vergegenwärtigen, dass der BGH in dieser Entscheidung eine bereits viele Jahre zuvor für die Erteilung von Generalvollmachten durch GmbH-Geschäftsführer geprägte Rechtsprechung ins Personengesellschaftsrecht übertragen hat (siehe Rdn 54) und es sich – soweit ersichtlich – um die einzige Entscheidung im Personengesellschaftsrecht mit diesem Ergebnis handelt. Wie zu zeigen sein wird, finden sich sehr gute Argumente gegen die zum GmbH-Recht geprägte Rechtsprechung des BGH und erst recht gegen ihre pauschale Übertragung ins Personengesellschaftsrecht. Im Einzelnen:
a) Das Argument vom Schutz der Gesellschafter
Rz. 58
Das erste Argument der Ungültigkeitsrechtsprechung des BGH ist der Schutz der Gesellschafter. Dass jedenfalls im Falle einer Zustimmung der Mitgesellschafter (zur Frage der Erforderlichkeit vgl. Rdn 16) der Schutz der Mitgesellschafter der Erteilung einer Vorsorgevollmacht nicht entgegensteht, sieht auch der BGH, der seine Entscheidung auf die weiteren Argumente der Rechtssicherheit und der Verantwortlichkeit des Geschäftsführers stützt.
b) Das Argument der Rechtssicherheit
Rz. 59
Auch das zweite Argument der Rechtssicherheit kann die Ungültigkeit von Vorsorgevollmachten für Organbefugnisse nicht rechtfertigen. Im Ausgangspunkt ist dem BGH zuzustimmen: Die Rechtslage in puncto Rechtssicherheit unterscheidet sich zwischen rechtsgeschäftlicher Vertretung und gesetzlicher Betreuung, für welche die Zustimmung der Gesellschafter gerade nicht erforderlich ist. Damit wären die vom BGH aus einer gesellschaftsinternen Zustimmungspflicht resultierenden Risiken bei einer Betreuung ausgeräumt, wohingegen diese bei einer Vollmachtslösung fortbestehen könnten.
Rz. 60
Dies würde aber voraussetzen, dass – wovon der 3. Zivilsenat des BGH in seiner Entscheidung ausgeht – die fehlende Zustimmung der Mitgesellschafter im Innenverhältn...