Dr. iur. Nikolas Hölscher
Rz. 21
Im Kapitalgesellschaftsrecht bedarf die gewillkürte Vertretung auf Gesellschafterebene durch einen Vorsorgebevollmächtigten – im Falle der Geschäftsunfähigkeit – nicht der Zustimmung der Mitgesellschafter.
Hinweis
Für die Übernahme von Organbefugnissen stellt sich die Frage der Zustimmung im Bereich der Vorsorgevollmacht wegen der automatischen Amtsbeendigung bei Geschäftsunfähigkeit nicht (siehe Rdn 6). Geht es hingegen um die Frage, ob ein GmbH-Geschäftsführer durch einen Generalbevollmächtigten vertreten werden kann, so ist hierfür analog § 46 Nr. 7 GmbHG (Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten für den gesamten Geschäftsbetrieb) die Zustimmung der Gesellschafter erforderlich.
Rz. 22
Dass eine Zustimmung der Mitgesellschafter für die Ausübung von Gesellschafterrechten durch Vorsorgebevollmächtigte nicht erforderlich ist, zeigen folgende Erwägungen: Bereits § 47 Abs. 3 GmbHG regelt den Fall der Stimmrechtsvollmacht; sie ist bei der GmbH grundsätzlich zulässig. Damit unterscheidet sich das Kapitalgesellschaftsrecht bereits im Ausgangspunkt vom Personengesellschaftsrecht, wo eine Vertretung im Einzelfall der Zustimmung aller Mitgesellschafter bedarf (siehe Rdn 17 ff.).
Rz. 23
Trotzdem wird für den Fall einer dauerhaften Vertretung durch einen Vorsorgebevollmächtigten aufgrund Geschäftsunfähigkeit eines Gesellschafters vertreten, dass diese nur mit Zustimmung der Mitgesellschafter zulässig sei. Wedemann versucht dies damit zu begründen, dass die mit einer Doppelzuständigkeit einhergehenden Probleme auch bei der GmbH drohen. Ebenfalls könne es zu einer erheblichen persönlichen Betroffenheit der Gesellschaft und der Mitgesellschafter durch das Handeln eines dauerhaft agierenden Vorsorgebevollmächtigten kommen. Wenn nicht die Voraussetzungen einer Kontrollbetreuung vorliegen, unterliege der Vorsorgebevollmächtigte keiner Aufsicht durch das Betreuungsgericht. Dieses niedrigere Schutzniveau könne ausschließlich mit Zustimmung der Mitgesellschafter akzeptiert werden.
Rz. 24
Im Ergebnis überzeugen die vorstehenden Argumente von Wedemann nicht. Denn das Schutzniveau bei Kapitalgesellschaften muss keineswegs dem von Personengesellschaften entsprechen. Bei Kapitalgesellschaften ist die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt und eine persönliche Haftung der Mitgesellschafter ist grundsätzlich ausgeschlossen. Zudem hat sich der Gesetzgeber bei Kapitalgesellschaften dafür entschieden, von einer Höchstpersönlichkeit der Gesellschafterrechte abzusehen. Kapitalgesellschaftsanteile sind de lege lata nicht vinkuliert und frei vererblich.