Rz. 5
Die DSGV schützt "natürliche Personen" bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten. Fraglich ist, wie der Begriff der "natürlichen Person" im Sinne der DSGVO zu bestimmen ist, insbesondere, ob auch "ungeborenes Leben" unter den Schutzumfang der DSGVO fallen soll. Die DSGVO selbst äußert sich weder in ihren Erwägungsgründen, noch im Rahmen der "Artikelgesetzgebung" dazu, ab wann, der Schutzmantel der DSGVO natürlichen Personen zukommen soll. Im Rahmen ihrer Stellungnahme 4/2007 zum Begriff "personenbezogene Daten" hat die Art. 29 Datenschutzgruppe indes bereits im Jahre 2007 zu dieser Problematik Stellung genommen, und dabei – freilich unter Beachtung der zu diesem Zeitpunkt noch geltenden Richtlinienvorgaben und dementsprechend unter Beachtung der nationalstaatlichen Rechtsumsetzungen in den Mitgliedsstaaten – zur Bestimmung des Begriffes der "natürlichen Personen" auf die zivilrechtlichen Vorgaben in den Mitgliedsstaaten abgestellt. Dabei stellte die Art. 29 Datenschutzgruppe zunächst fest, dass das Zivilrecht der Mitgliedsstaaten zwar den Begriff der "natürlichen Person" nicht legal definiere, dieser jedoch eng mit dem Begriff "Rechtspersönlichkeit" verknüpft sei, die "als mit der Geburt der Person beginnende und mit ihrem Tod endende Fähigkeit" verstanden werde, ein Rechtsverhältnis einzugehen.
"Personenbezogene Daten" sind folglich Daten, die sich grundsätzlich auf bestimmte oder bestimmbare lebende Personen beziehen.
Dies spricht zunächst dafür, die DSGVO und ihre Schutzwirkungen nicht auch auf "ungeborenes" Leben zu erstrecken, griffe indes – auch unter Berücksichtigung der bisherigen Stellungnahmen der Art. 29 Datenschutzgruppe – zu kurz. Diese erörtert im Rahmen ihrer Stellungnahme 4/2007 nämlich zu Recht, in welchem Umfang Datenschutzbestimmungen – in Abweichung des zivilrechtlichen Begriffs der Rechtspersönlichkeit – auch "vor der Geburt" Anwendung finden können. Obgleich die Art. 29 Datenschutzgruppe in diesem Zusammenhang ausführt, dass sich dies "nach dem allgemeinen Standpunkt der nationalen Rechtssysteme in Bezug auf den Schutz ungeborener Kinder" zu richten habe, ist innerhalb der Stellungnahme eine Tendenz dahingehend zu erkennen, eher einen weitreichenden Datenschutz zu gewährleisten. So wird die Frage aufgeworfen, ob die Situation ungeborener Kinder insbesondere mit Blick auf die immer weiter fortschreitenden Möglichkeiten medizinischer Forschung, nicht auch durch das Datenschutzrecht erfasst sein könne. Hier wird bspw. der Fall "eingefrorener Embryonen" genannt, aus denen medizinische und/oder genetische Informationen gewonnen werden können. Die Art. 29 Datenschutzgruppe hatte die Frage, ob ungeborenes Leben vom Schutzbereich des Datenschutzrechtes umfasst sein sollte, schlussendlich nicht zu beurteilen, da – mit Blick auf das Richtlinienkonzept – die Umsetzung alleinige Aufgabe des jeweiligen Mitgliedsstaates war. Mit Inkrafttreten der DSGVO kann die Frage, inwieweit der Schutz der DSGVO auch auf ungeborenes Leben zu erstrecken ist, indes nicht offen gelassen, sondern muss beantwortet werden. Insoweit setzt die DSGVO nicht nur einen Mindeststandard, sondern will – wie eingangs bereits dargestellt – ein einheitliches und kohärentes Datenschutzniveau innerhalb der Europäischen Gemeinschaft sicherstellen. Dies jedoch macht es – jedenfalls aus hiesiger Sicht – "unmöglich", die Frage insbesondere des personellen Schutzbereichs weiterhin der mitgliedsstaatlichen Ausgestaltung zu überlassen.
Rz. 6
Unter Berücksichtigung des bereits im Jahre 2007 von Seiten der Art. 29 Datenschutzgruppe festgestellten Gesichtspunktes, dass in zahlreichen Mitgliedsstaaten bereits zum damaligen Zeitpunkt auch ungeborenem Leben zumindest partielle Rechtsfähigkeit zuerkannt wird und unter Berücksichtigung des Bedeutungswandels des Datenschutzes vom "Randthema" hin zu einem zentralen Themengebiet innerhalb der Bevölkerung, kann die Ausweitung des Schutzbereiches der DSGVO auf das "ungeborene Leben" jedenfalls nicht ohne Weiteres von der Hand gewiesen werden. So gilt bspw. auch in der Bundesrepublik Deutschland ein Mensch erst mit Vollendung seiner Geburt als rechtsfähig. Gleichwohl wird dem noch nicht geborenen Kind jedoch bspw. die Erbrechtsfähigkeit oder auch die Berechtigung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder Ansprüchen im Falle der Tötung des Urteilspflichtigen zuerkannt. Auch ist anerkannt, dass durch Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter das "vorgeburtliche" Leben begünstigt werden kann. Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN Kinderrechtskonvention) spricht ebenfalls davon, dass es eines "angemessenen rechtlichen Schutzes vor und nach der Geburt" von Kindern bedürfe. Sicherlich können auch die in Europa nach wie vor weitverbreiteten christlichen Wertvorstellungen für eine Ausweitung des Datenschutzrechts und im Speziellen der DSGVO auf "ungeborenes Leben" sprechen. Schlussendlich soll diese Frage, die im Wesentlichen von ...