Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 1
Die Sorge des Erben ist berechtigt: Der Erbe haftet für die Schulden des Erblassers.
Hinweis
Dies gilt nur für vererbliche Verpflichtungen; höchstpersönliche Verpflichtungen erlöschen mit dem Tod. Beispiele sind der Dienstvertrag (§§ 611, 613 BGB) oder der Auftrag (§§ 662, 673 BGB), aber auch Geldstrafen und Geldbußen.
I. "Übergang" der Nachlassverbindlichkeiten auf den Erben im Wege der Universalsukzession
Rz. 2
Aus § 1967 BGB ergibt sich klarstellend, dass im Wege der Universalsukzession gemäß § 1922 BGB neben den Aktiva auch die Passiva auf den Erben übergehen.
Hinweis
Aus Sicht der Gläubiger ist dies nur folgerichtig: Wer deren Haftungsmasse erhält, muss hieraus zumindest auch ihre Forderungen begleichen, wenn ihnen schon der Schuldner "weggestorben" ist. Statt des von ihnen als kreditwürdig angesehenen Erblassers haben sie nunmehr die – ihnen oft unbekannten – Erben als Schuldner. Dieser – im Normalfall als unerfreulich und damit von §§ 414 f. BGB auch als zustimmungsbedürftig angesehene – Schuldnerwechsel ist für den Gläubiger insoweit zunächst gut zu akzeptieren, als ihm die bisherige Haftungsmasse, nämlich das Vermögen des Erblassers (in jedem Fall) erhalten bleibt, da der Nachlass auf die Erben übergegangen ist und er also weiterhin in die ihm auch bisher zur Verfügung stehende Haftungsmasse vollstrecken kann.
Rz. 3
Über diese klarstellende Funktion hinaus, regelt § 1967 Abs. 1 BGB, dass der Erbe auch Schuldner der Nachlassgläubiger wird und für sämtliche Nachlassverbindlichkeiten haftet. Gemäß § 1967 Abs. 2 BGB gehören hierzu nicht nur die vom Erblasser herrührenden Schulden, sondern auch die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen.
Hinweis
Zur Frage, bezüglich welcher Verbindlichkeiten eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass möglich ist, siehe näher unten § 5 Rdn 1 ff.
Miterben haften als Gesamtschuldner, § 2058 BGB.
II. Haftungssubjekt versus Haftungsobjekt
Rz. 4
Die hier angedeutete Unterscheidung zwischen den beteiligten Rechtssubjekten und Rechtsobjekten ist zum Verständnis der Haftungsbeschränkungsinstrumentarien des deutschen Erbrechts unabdingbar:
Vor dem Erbfall standen sich die Gläubiger des Erblassers (im Folgenden: Nachlassgläubiger) und der Erblasser als Schuldner als Rechtssubjekte gegenüber. Diesen Gläubigern (Nachlassgläubigern) haftete der Erblasser mit seinem Vermögen (im Folgenden: Nachlass) als Haftungsmasse.
1. Der Erbe als Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten
Rz. 5
Mit dem Tod des Erblassers fällt dieser als Rechtssubjekt weg. Da der Nachlass – anders als etwa eine Stiftung (von Todes wegen) – keine eigene Rechtspersönlichkeit hat und auch die Miterbengemeinschaft weiterhin nicht als rechtsfähig anerkannt ist, werden der oder die Erben persönlich Schuldner der Gläubiger des Erblassers. Sie treten als Rechtssubjekte an die Stelle des Erblassers. Als Haftungssubjekt für die Nachlassgläubiger nehmen sie die Position des Schuldners der Nachlassgläubiger ein.
Dass Miterben als Gesamtschuldner haften (Rdn 3 a.E) und die Nachlassgläubiger sich damit einen von ihnen zur Inanspruchnahme aussuchen können, hat seine Ratio darin, dass sich die Nachlassgläubiger zur Begleichung ihrer Forderungen weiterhin nur an eine Person halten können sollen.
2. Das Haftungsobjekt
a) Der Nachlass als Haftungsobjekt?
Rz. 6
Haftungsobjekt ist zunächst das geerbte Vermögen, das nach § 1922 BGB auf den oder die Erben als Rechtssubjekte übergegangen ist (der Nachlass). Der Erbe muss also zunächst die bittere Pille schlucken, die "schöne Erbschaft" zur Begleichung der Schulden des Erblassers zur Verfügung stellen zu müssen.
b) Das Eigenvermögen als Haftungsobjekt? – der Erbe haftet unbeschränkt
Rz. 7
Damit aber nicht genug: Der in Lehrbüchern formelhaft daherkommende Satz, "der Erbe haftet unbeschränkt" für die Nachlassverbindlichkeiten, heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass das deutsche Erbrecht von dem Grundsatz ausgeht, dass die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten nicht per se oder gar ispo iure auf den Nachlass beschränkt ist, sondern der oder die Erben grds. auch mit ihrem privaten Vermögen (im Folgenden: Eigenvermögen) für die Schulden de...