Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 17
Das Gesetz gibt dem Erben zwei gänzlich unterschiedliche Wege an die Hand, sich der Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten zu entledigen, die strikt auch in der Art der Haftungsbeschränkung zu unterscheiden sind. Diese Unterscheidung basiert erneut auf einer korrekten Trennung von Haftungssubjekten und Haftungsobjekten (siehe schon oben Rdn 4 ff.). Erneut:
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Mit der Universalsukzession tritt der Erbe als Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten an die Stelle des verstorbenen Erblassers, der mit dem Tod seine Rechtssubjektqualität verloren hat. |
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Mit der Verschmelzung der Vermögensmassen (siehe oben Rdn 9 ff.) haftet der Erbe unbeschränkt mit Nachlass und Eigenvermögen für die Nachlassverbindlichkeiten. |
Rz. 18
Es gibt also zwei Angriffspunkte gegen die Erbenhaftung:
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das Einrücken in die Schuldnerstellung und |
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die Verschmelzung der Vermögensmassen. |
Folglich sind die beiden grundsätzlich verschiedenen Wege der Haftungsbeschränkung vorgezeichnet:
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Der Erbe kann durch Ausschlagung der Erbschaft (oder Anfechtung der Annahme der Erbschaft, hierzu siehe sogleich Rdn 19 ff.) die Erbenstellung (wieder) verlieren und damit aus der Schuldnerstellung (wieder) rauskommen oder |
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er kann die Erbenstellung behalten, aber die Vermögensverschmelzung aufheben und eine erneute Vermögenstrennung herbeiführen, um so zwar Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten zu bleiben, die Haftung aber auf das Haftungsobjekt Nachlass zu beschränken (siehe hierzu Rdn 21 ff.). |
I. Die Ausschlagung – raus aus der Schuldnerstellung
Rz. 19
Für die Nachlassverbindlichkeiten haftet der Erbe nur deshalb, weil er als Rechtssubjekt im Wege der Universalsukzession die Stellung des erloschenen Rechtssubjektes Erblasser einnimmt (der Leser möge mir die etwas unethische, aber m.E. dem Verständnis dienende Formalisierung verzeihen) und damit Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten wird. Dieses Eintreten in die Schuldnerstellung kann der Erbe nur verhindern, indem er die Erbenstellung und alles, was daran hängt, ablehnt. Der richtige und einzige Weg hierzu sind die Ausschlagung der Erbschaft bzw. dem gleichgestellt (§ 1957 Abs. 1 BGB) die Anfechtung der Annahme der Erbschaft.
Hinweis
Wenn im Folgenden ohne jede weitere Differenzierung von "Ausschlagung" die Rede ist, so ist damit – der besseren Lesbarkeit halber – stets auch die nach §§ 1957, 1953 BGB gleichzusetzende Anfechtung der Annahme gemeint, sofern nicht eine Differenzierung im Wortlaut ausdrücklich zum Ausdruck kommt.
Rz. 20
Da zumindest die Ausschlagung – anders als die Anfechtung der Annahme – nicht begründet werden muss, ist der Erbe insoweit in seiner Entscheidung völlig frei, sich aus der Erbenstellung zu begeben und damit die Passiva des Erblassers, aber eben auch die Aktiva zu verlieren. Er muss hierzu allerdings die kurze, grds. sechswöchige Ausschlagungsfrist (§ 1944 BGB) beachten (zu Voraussetzungen und Rechtsfolgen siehe § 3). Mit der Ausschlagung verliert er rückwirkend seine Erbenstellung. Damit rückt er raus aus der Schuldnerstellung und damit aus der Haftung in Bezug auf die Nachlassverbindlichkeiten.
II. "Der Erbe haftet unbeschränkt, aber jederzeit beschränkbar."
Rz. 21
Mit der Annahme der Erbschaft – spätestens mit Ablauf der Ausschlagungsfrist oder wirksamer Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft – rückt der Erbe, so er die Annahme nicht wirksam anficht, unwiderruflich in die Rechtsstellung des Erblassers und damit als Rechtssubjekt in dessen Schuldnerstellung in Bezug auf die Nachlassverbindlichkeiten ein. Diese Position kann nicht mehr aufgegeben werden.
Hinweis
Wenn im Folgenden von "Erbe" oder "Erben" die Rede ist, so ist, falls keine ausdrückliche Differenzierung erfolgt, jeweils der Allein- oder der Miterbe gemeint.
Rz. 22
Die unbeschränkte Erbenhaftung, die zu einer Haftung mit den Vermögensmassen Nachlass und Eigenvermögen führt, tritt mit der Verschmelzung der Vermögensmassen durch Annahme bzw. Teilung (siehe oben Rdn 13, 14) sodann ohne Willensakt des Erben ein. Sie ist jedoch keine endgültige. Es ist möglich, die eigene persönliche Haftung als Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass als Vermögensobjekt zu beschränken und damit die Vermögensmasse Eigenvermögen zu verschonen.
Eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass ist grundsätzlich jederzeit und ohne Befristung möglich. Hierzu ist es erforderlich, die beiden Vermögensmassen wieder voneinander zu trennen, damit die Ratio für die unbeschränkte Haftung auch mit dem Eigenvermögen (siehe oben Rdn 9) entfällt.
Hinweis
Zu den verschiedenen Möglichkeiten, die das Gesetz zu diesem Zweck zur Verfügung stellt, siehe im Einzelnen § 4.
Rz. 23
Der Erbe haftet folglich zunächst "unbeschränkt, aber grundsätzlich jederzeit auf den Nachlass beschränkbar". Diese Haftungsbeschränkung auf den Nachlass gewährt das Gesetz nicht automatisch, sondern der Erbe muss tätig werden. Das Gesetz sieht hierzu verschiedene, z.T. recht unübersichtlich gestaltete Möglichkeiten vor, diese Haftungsbeschränkung herbeizuführen.
Dies wird für den Rechtsanwender noch dadurch erschwert, dass das BGB in den §§ 1967 ff. BGB eine Art "Allgemeinen Teil" für al...