Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 21
Mit der Annahme der Erbschaft – spätestens mit Ablauf der Ausschlagungsfrist oder wirksamer Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft – rückt der Erbe, so er die Annahme nicht wirksam anficht, unwiderruflich in die Rechtsstellung des Erblassers und damit als Rechtssubjekt in dessen Schuldnerstellung in Bezug auf die Nachlassverbindlichkeiten ein. Diese Position kann nicht mehr aufgegeben werden.
Hinweis
Wenn im Folgenden von "Erbe" oder "Erben" die Rede ist, so ist, falls keine ausdrückliche Differenzierung erfolgt, jeweils der Allein- oder der Miterbe gemeint.
Rz. 22
Die unbeschränkte Erbenhaftung, die zu einer Haftung mit den Vermögensmassen Nachlass und Eigenvermögen führt, tritt mit der Verschmelzung der Vermögensmassen durch Annahme bzw. Teilung (siehe oben Rdn 13, 14) sodann ohne Willensakt des Erben ein. Sie ist jedoch keine endgültige. Es ist möglich, die eigene persönliche Haftung als Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass als Vermögensobjekt zu beschränken und damit die Vermögensmasse Eigenvermögen zu verschonen.
Eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass ist grundsätzlich jederzeit und ohne Befristung möglich. Hierzu ist es erforderlich, die beiden Vermögensmassen wieder voneinander zu trennen, damit die Ratio für die unbeschränkte Haftung auch mit dem Eigenvermögen (siehe oben Rdn 9) entfällt.
Hinweis
Zu den verschiedenen Möglichkeiten, die das Gesetz zu diesem Zweck zur Verfügung stellt, siehe im Einzelnen § 4.
Rz. 23
Der Erbe haftet folglich zunächst "unbeschränkt, aber grundsätzlich jederzeit auf den Nachlass beschränkbar". Diese Haftungsbeschränkung auf den Nachlass gewährt das Gesetz nicht automatisch, sondern der Erbe muss tätig werden. Das Gesetz sieht hierzu verschiedene, z.T. recht unübersichtlich gestaltete Möglichkeiten vor, diese Haftungsbeschränkung herbeizuführen.
Dies wird für den Rechtsanwender noch dadurch erschwert, dass das BGB in den §§ 1967 ff. BGB eine Art "Allgemeinen Teil" für alle Erben und in den §§ 2058 ff. BGB besondere Regelungen für Miterben bereithält. Hinzu kommt, dass sich weitere Regelungen im FamFG und in der ZPO finden.
Hinweis
Einen Überblick über die wichtigsten einschlägigen Normen finden Sie im Anhang.
Eine solche Haftungsbeschränkung auf den Nachlass ist nur für wirkliche (sog. reine) Nachlassverbindlichkeiten möglich. Bezüglich der bei ihm selbst entstandenen eigenen Schulden (sog. Eigenverbindlichkeiten) kann der Erbe die Haftung nicht auf den Nachlass begrenzen.
Hinweis
Dies erscheint auf den ersten Blick selbstverständlich, birgt im Einzelfall aber erhebliche Abgrenzungsprobleme, (siehe § 5).
Rz. 24
Auch kann der Erbe den Nachlass nicht einfach aufzehren und sodann den Gläubigern gegenüber einwenden, es sei nichts mehr da, um deren Forderungen zu begleichen. Denn das Gesetz ist von der Grundidee geprägt, dass es die vornehmlichste Pflicht eines jeden Erben ist, die Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen und den Nachlass zuvorderst hierfür aufzuzehren (siehe z.B. §§ 1967 Abs. 1, 1978 Abs. 1, 1980 Abs. 1 S. 2, 2045, 2046 BGB). Nur das, was hiernach (und nach Abzug der Kosten für die Nachlassabwicklung) verbleibt, darf der Erbe für sich verbrauchen.
Hinweis
Erben bedeutet hier in erster Hinsicht Aufwand und Verantwortung, den Nachlass für die Nachlassgläubiger zu verwenden.
Rz. 25
Auf der anderen Seite darf der Erbe nicht einfach die sich ihm offenbarenden Nachlassverbindlichkeiten eine nach der anderen befriedigen, bis der Nachlass aufgebraucht ist. Für den Fall, dass der Nachlass nicht zur Deckung sämtlicher Nachlassverbindlichkeiten ausreicht, ist der Erbe gehalten, ein Nachlassinsolvenzverfahren einzuleiten. Hierdurch soll dem in der Insolvenz geltenden Grundsatz der Gleichbehandlung der Nachlassgläubiger Rechnung getragen werden. Eine Zahlung aus dem Nachlass an Nachlassgläubiger ist dem Erben vor diesem Hintergrund nur dann derart gestattet, dass die Nachlassgläubiger die Schmälerung des Nachlasses hinnehmen müssen, wenn der Erbe den Umständen nach annehmen darf, dass der Nachlass zur Befriedigung aller Nachlassgläubiger ausreicht. Er hat daher die Pflicht, vor einer Zahlung an einen Nachlassgläubiger sorgfältig zu prüfen, welche Aktiva und Passiva im Nachlass vorhanden sind. Geht er ohne eine entsprechend sorgfältige Prüfung von der Hinlänglichkeit des Nachlasses aus, so macht er sich ggf. schadensersatzpflichtig, wenn sich diese Einschätzung als falsch herausstellt (§§ 1978 Abs. 1, 1979, 1980 BGB).
Handelt der Erbe diesen Prinzipien zuwider, so haftet er den Nachlassgläubigern für den daraus resultierenden Schaden; bei dieser Schuld handelt es sich dann um eine Eigenverbindlichkeit des Erben, bzgl. derer eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass nicht möglich ist.
Rz. 26
Die Herbeiführung der Haftungsbeschränkung ist grds. nicht fristgebunden. Der Erbe kann seine Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten aber verlieren, vgl. insbesondere § 2013 BGB. Dann haftet er auf Dauer unbeschränkt, muss also den Nachlassgläubigern auch sein p...