Rz. 7

Auch wenn hierzu wenig aktuelle Rechtsprechung veröffentlicht wurde, sind derartige Messungen immer noch aktuell. Aufgrund der nachfolgend aufgezeigten Unwägbarkeiten lohnt es sich hier besonders, die Messung im Zweifel von einem Sachverständigen überprüfen zu lassen. Zuvor sollte das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung überprüft werden, um Kosten für den Betroffenen zu vermeiden.[1] Im Gegensatz zu den Geschwindigkeiten werden die Abstände nicht elektronisch gemessen, sondern unter Auswertung des Videobandes errechnet, weshalb die Auswertung und Berechnung in den Urteilsgründen für das Beschwerdegericht verständlich und widerspruchsfrei dargelegt werden müssen.[2] Nachfahrsysteme sind folglich keine standardisierten Messverfahren.[3]

 

Rz. 8

Die Abstandsfeststellung bei seitlich versetztem Nachfahren des Polizeifahrzeuges ohne technische Geräte ist grundsätzlich möglich, jedoch sind hieran erhöhte Anforderungen zu stellen. Aufgrund der zahlreichen Unwägbarkeiten werden nur beträchtliche Abstandsunterschreitungen über eine genügend lange Fahrstrecke erfasst, welche zudem nur von hinreichend geübten und erfahrenen Beamten beobachtet werden.[4] Die Beobachtung aus einer Entfernung von rund 100 m ist jedenfalls nicht zuverlässig genug.[5] Eine überprüfte Fahrstrecke von 600 m und ein Abstand des Überwachungsfahrzeugs von ca. 40 m sind ausreichend.[6] Die Fehleranfälligkeit der Messung ist erheblich, weshalb selbst bei einer Messstrecke von 500 m und einem Abstand von etwa 20 m ein Sicherheitsabschlag von 33,3 % nicht ausreicht.[7] Auch sind ausreichende Sicherheitsabschläge vorzunehmen, da es sich nicht um ein standardisiertes Messverfahren handelt. Diese sind regelmäßig bei Geschwindigkeiten bis 100 km/h mit 5 km/h, darüber mit einem Abschlag von 5 % der ermittelten Geschwindigkeit anzusetzen.[8]

 

Rz. 9

Auch können ungeübte Personen nach allgemeiner Erfahrung keine hinreichend genaue Schätzung abgeben.[9] Die Verurteilung aufgrund der Schätzung eines unerfahrenen Beamten stellt eine Verletzung sachlichen Rechts dar.[10]

 

Rz. 10

Erfolgt die Beobachtung zur Nachtzeit oder bei sonstigen schlechten Sichtverhältnissen, erfordert dies ebenfalls eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Beleuchtungsverhältnissen und Orientierungspunkten im Urteil.[11]

 

Rz. 11

Grundsätzlich ist positiv in den Urteilsgründen festzustellen, dass der Abstand während des Messvorgangs weder durch Abbremsen des Vorausfahrenden, noch durch Einscheren eines Dritten verringert wurde.[12] Dies ist auch bei einem beträchtlichen Abstandsverstoß denkbar, weshalb die erforderlichen Feststellungen auch dann nicht entbehrlich sind.[13]

 

Rz. 12

Die rückwärtige Beobachtung eines Abstandsverstoßes durch die Rückspiegel wird regelmäßig ausscheiden, weil die Beamten hier zu viele Kriterien gleichzeitig beachten müssen.[14]

[1] Vgl. etwa zur Kostentragungspflicht: AG Landstuhl, Beschl. v. 31.1.2022 – 4211 Js 3063/21, BeckRS 2022, 783.
[2] OLG Hamm, Beschl. v. 4.12.2008 – 3 Ss OWi 871/08, Rn 21 m.w.N., juris = DAR 2009, 1156 = VA 2009, 103.
[3] OLG Hamm, Beschl. v. 4.12.2008 – 3 Ss OWi 871/08, Rn 21, juris = DAR 2009, 1156 = VA 2009, 103; OLG Jena, Beschl. v. 22.4.2010 – 1 Ss 355/09, Rn 11, juris = DAR 2011, 413 = VRS 119, 366; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.9.2016 – 2 OWi 4 SsBs 50/16, Rn 10, juris = zfs 2016, 652.
[4] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.4.1978 – 2 Ss OWi 154/78, juris = VRS 56, 57.
[5] OLG Hamm, Beschl. v. 21.8.1997 – 4 Ss OWi 800/97, juris = NStZ-RR 1997, 379 = MDR 1998, 345.
[6] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.7.2002 – 2a Ss (OWi) 107/02 – (OWi) 30/02 II, Rn 5, juris = NZV 2002, 519 = VD 2002, 297.
[7] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.5.1984 – 2 Ss (OWi) 325/83 – 148/83 III, juris = zfs 1985, 188.
[8] OLG Hamm, Beschl. v. 22.9.2003 – 2 Ss OWi 518/03, Rn 5, juris = DAR 2004, 42; BayObLG, Beschl. v. 23.7.2003 – 1 ObOWi 246/03, Rn 9, juris; KG, Beschl. v. 7.3.2019 – 3 Ws (B) 51/19, Rn 4, juris.
[9] OLG Hamm, Entsch. vom 17.2.2006 – 2 Ss OWi 63/06, Rn 28, juris = zfs 2006, 351 = DAR 2006, 338.
[10] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.10.1999 – 2a Ss (OWi) 263/99 – (OWi) 74/99 II, juris = DAR 2000, 80 = VRS 98, 155.
[11] OLG Hamm, Beschl. v. 14.1.1999 – 2 Ss OWi 1377/98, Rn 9 m.w.N., juris = NZV 1999, 391 = VRS 96, 458; OLG Hamm, Beschl. v. 13.3.2003 – 2 Ss OWi 201/03, juris = NZV 2003, 494 = DAR 2003, 429.
[12] OLG Celle, Beschl. v. 20.4.1978 – 1 Ss (OWi) 141/78, juris = DAR 1978, 250 = NJW 1979, 325; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.1.1983 – 5 Ss (OWi) 221/82 – 39/82 V, juris = zfs 1983, 125; OLG Köln, Urt. v. 28.3.1984 – 3 Ss 456/83 – 254, juris = zfs 1984, 155.
[13] So aber: OLG Oldenburg, Beschl. v. 9.3.1984 – Ss 596/83, juris = VRS 67, 54; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.7.2002 – 2a Ss (OWi) 107/02 – (OWi) 30/02 II, Rn 5, juris = NZV 2002, 519 = VD 2002, 297.
[14] AG Lüdinghausen, Urt. v. 25.8.2008 – 19 OWi 89 Js 780/08 – 83/08, Rn 16, juris = DAR 2008, 655 = NZV 2009, 159.

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