Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 98
Das FamFG hat mit den §§ 235, 236 FamFG eine neue Form einer rein verfahrensrechtlichen Auskunftspflicht der Beteiligten und Dritter geschaffen. Die Verpflichtung des Familiengerichts auf Antrag nach § 235 Abs. 2 FamFG Auskünfte über das Einkommen und Vermögen beim Unterhaltspflichtigen einzuholen führt zu keiner Durchbrechung des Prinzips der Dispositionsmaxime in Unterhaltssachen. Mit der Schaffung von § 235 FamFG ist keine Abkehr von den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast in Unterhaltssachen verbunden.
Rz. 99
Praxistipp:
▪ |
Eine Recherche nach diesen Vorschriften in der Datenbank juris zeigt, dass diese Normen in der gerichtlichen Praxis noch ein unverdientes Schattendasein führen. |
▪ |
In der Praxis sollte von den Möglichkeiten dieses neuen Rechtsinstitutes verstärkt Gebrauch gemacht werden. |
Rz. 100
Die Systematik des Gesetzes ist einfach:
▪ |
§ 235 FamFG betrifft die Auskunft der Verfahrensbeteiligten, |
▪ |
§ 236 FamFG die – noch für die Praxis noch interessantere – Auskunftsverpflichtung Dritter. |
▪ |
Absatz 1 der Normen regelt jeweils das Verfahren von Amts wegen, |
▪ |
Absatz 2 das Verfahren auf Antrag eines Beteiligten. |
I. Zahlungsverfahren
Rz. 101
Erforderlich ist ein Unterhaltsverfahren mit einem bereits bezifferten Zahlungsantrag. Solange bei einer Stufenklage kein bezifferter Leistungsantrag gestellt ist, darf das Gericht keine Auskünfte nach § 235 Abs. 1 FamFG anordnen und es besteht keine Anordnungspflicht auf Antrag eines Beteiligten nach § 235 Abs. 2 FamFG.
Rz. 102
Hat der Antragsteller im Stufenantragsverfahren bereits einen vollstreckbaren Titel zur Auskunftsstufe erlangt, so besteht für ein Vorgehen gem. § 235 Abs. 2 FamFG zunächst kein Rechtsschutzbedürfnis.
II. Adressat der Auskunftspflicht
Rz. 103
Das Gericht kann Antragsteller und Antragsgegner auffordern, Auskunft über ihre Einkünfte, ihr Vermögen und ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erteilen, sowie über die Einkünfte bestimmte Belege vorzulegen, soweit dies für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist. Sinn dieser Regelung ist, möglichst frühzeitig Klarheit über die beiderseitigen finanziellen Verhältnisse zu verschaffen. Der Gesetzgeber betont ausdrücklich das öffentliche Interesse einer sachlich richtigen Unterhaltsentscheidung, da ungenügende Unterhaltszahlungen zu einem erhöhten Bedarf an öffentlichen Leistungen führen. Zudem soll die mangelnde Verfahrensförderung durch auskunftspflichtige Beteiligte ausgeglichen werden. § 235 Abs. 2 FamFG ermöglicht es, einen substanziiert dargelegten Unterhaltsanspruch der materiellen Richtigkeit zuzuführen.
Rz. 104
Adressat des Auskunftsverlangens sind die verfahrensrechtlichen (formellen) Beteiligten, also sowohl Antragsteller als auch Antragsgegner. Die Auskunftspflicht erstreckt sich nicht auf die am Unterhaltsrechtsverhältnis materiell Beteiligten. Wenn das gerichtliche Unterhaltsverfahren also aufgrund Anspruchsüberganges durch einen öffentlichen Leistungsträger geführt wird, ist dieser auskunftspflichtig.
Rz. 105
Da zwischen der verfahrensrechtlichen Auskunftsverpflichtung aus § 235 FamFG und der materiellrechtlichen Auskunftspflicht aus §§ 1580, 1605 BGB zu unterscheiden ist, besteht für ein Auskunftsverfahren zwischen den Beteiligten, das auf §§ 1580, 1605 BGB gestützt wird, weiterhin Rechtsschutzbedürfnis, ebenso für ein Stufenverfahren.
III. Umfang der geschuldeten Auskunft
Rz. 106
Der Adressat des gerichtlichen Auskunftsverlangens ist verpflichtet, Auskunft über seine Einkünfte, sein Vermögen und seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erteilen, soweit dies ihm in der Auflage aufgegeben ist.
1. Individuelle Auskunftsauflage des Gerichts
Rz. 107
Maßgebend für die konkret zu erteilende Auskunft ist individuelle gerichtliche Auflage.