Rz. 98

Das FamFG hat mit den §§ 235, 236 FamFG eine neue Form einer rein verfahrensrechtlichen Auskunftspflicht der Beteiligten und Dritter geschaffen.[152] Die Verpflichtung des Familiengerichts auf Antrag nach § 235 Abs. 2 FamFG Auskünfte über das Einkommen und Vermögen beim Unterhaltspflichtigen einzuholen führt zu keiner Durchbrechung des Prinzips der Dispositionsmaxime in Unterhaltssachen.[153] Mit der Schaffung von § 235 FamFG ist keine Abkehr von den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast in Unterhaltssachen verbunden.[154]

 

Rz. 99

 

Praxistipp:

Eine Recherche nach diesen Vorschriften in der Datenbank juris zeigt, dass diese Normen in der gerichtlichen Praxis noch ein unverdientes Schattendasein führen.
In der Praxis sollte von den Möglichkeiten dieses neuen Rechtsinstitutes verstärkt Gebrauch gemacht werden.
 

Rz. 100

Die Systematik des Gesetzes ist einfach:

§ 235 FamFG betrifft die Auskunft der Verfahrensbeteiligten,
§ 236 FamFG die – noch für die Praxis noch interessantere – Auskunftsverpflichtung Dritter.
Absatz 1 der Normen regelt jeweils das Verfahren von Amts wegen,
Absatz 2 das Verfahren auf Antrag eines Beteiligten.
[152] Ausführlich Born, Eine Vorschrift im Dornröschenschlaf – die Auskunftsbeschaffung über das Gericht nach § 235 FamFG, FF 2020, 147; Born, NZFam 2016, 349; Viefhues, FuR 2013, 20; Klein, FPR 2011, 9, Viefhues, FPR 2010, 162, Sarres, FuR 2010, 390, Obermann, ZFE 2010, 460; Roßmann, ZFE 2009, 444.

I. Zahlungsverfahren

 

Rz. 101

Erforderlich ist ein Unterhaltsverfahren mit einem bereits bezifferten Zahlungsantrag.[155] Solange bei einer Stufenklage kein bezifferter Leistungsantrag gestellt ist, darf das Gericht keine Auskünfte nach § 235 Abs. 1 FamFG anordnen und es besteht keine Anordnungspflicht auf Antrag eines Beteiligten nach § 235 Abs. 2 FamFG.[156]

 

Rz. 102

Hat der Antragsteller im Stufenantragsverfahren bereits einen vollstreckbaren Titel zur Auskunftsstufe erlangt, so besteht für ein Vorgehen gem. § 235 Abs. 2 FamFG zunächst kein Rechtsschutzbedürfnis.[157]

[155] Obermann, ZFE 2010, 460, 463.
[156] Musielak/Borth, FamFG, 2015, § 235 Rn 2; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 235 FamFG Rn 1; Haußleiter/Eickelmann, FamFG, 2017, § 235 Rn 12; Fest, NJW 2012, 428; Götz, NJW 2010, 897, 900 m.w.N.; AG Reinbek, Beschl. v. 12.4.2011 – 10 F 144/10, FamRZ 2011, 1807.
[157] AG Ludwigshafen, Beschl. v. 23.6.2014 – 5a F 205/13, FamRZ 2015, 279.

II. Adressat der Auskunftspflicht

 

Rz. 103

Das Gericht kann Antragsteller und Antragsgegner auffordern, Auskunft über ihre Einkünfte, ihr Vermögen und ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erteilen, sowie über die Einkünfte bestimmte Belege vorzulegen, soweit dies für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist. Sinn dieser Regelung ist, möglichst frühzeitig Klarheit über die beiderseitigen finanziellen Verhältnisse zu verschaffen. Der Gesetzgeber betont ausdrücklich das öffentliche Interesse einer sachlich richtigen Unterhaltsentscheidung, da ungenügende Unterhaltszahlungen zu einem erhöhten Bedarf an öffentlichen Leistungen führen.[158] Zudem soll die mangelnde Verfahrensförderung durch auskunftspflichtige Beteiligte ausgeglichen werden.[159] § 235 Abs. 2 FamFG ermöglicht es, einen substanziiert dargelegten Unterhaltsanspruch der materiellen Richtigkeit zuzuführen.[160]

 

Rz. 104

Adressat des Auskunftsverlangens sind die verfahrensrechtlichen (formellen) Beteiligten, also sowohl Antragsteller als auch Antragsgegner. Die Auskunftspflicht erstreckt sich nicht auf die am Unterhaltsrechtsverhältnis materiell Beteiligten. Wenn das gerichtliche Unterhaltsverfahren also aufgrund Anspruchsüberganges durch einen öffentlichen Leistungsträger geführt wird, ist dieser auskunftspflichtig.[161]

 

Rz. 105

Da zwischen der verfahrensrechtlichen Auskunftsverpflichtung aus § 235 FamFG und der materiellrechtlichen Auskunftspflicht aus §§ 1580, 1605 BGB zu unterscheiden ist, besteht für ein Auskunftsverfahren zwischen den Beteiligten, das auf §§ 1580, 1605 BGB gestützt wird, weiterhin Rechtsschutzbedürfnis,[162] ebenso für ein Stufenverfahren.[163]

[158] Roßmann in Horndasch/Viefhues, FamFG, 2014, § 235 Rn 1; Bömelburg in Prütting/Helms, FamFG, 2020, § 235 Rn 3.
[159] Haußleiter/Eickelmann, FamFG, 2017, § 235 Rn 3.
[161] Hütter/Kodal in Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2018, § 235 Anm. 5.
[162] Roßmann in Horndasch/Viefhues, Kommentar zum Familienverfahrensrecht, 2014, § 235 Rn 5; Keidel/Weber, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 235 Rn 14,
[163] Bömelburg in Prütting/Helms, FamFG, 2020, § 235 Rn 4.

III. Umfang der geschuldeten Auskunft

 

Rz. 106

Der Adressat des gerichtlichen Auskunftsverlangens ist verpflichtet, Auskunft über seine Einkünfte, sein Vermögen und seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erteilen, soweit dies ihm in der Auflage aufgegeben ist.

1. Individuelle Auskunftsauflage des Gerichts

 

Rz. 107

Maßgebend für die konkret zu erteilende Auskunft ist individuelle gerichtliche Auflage.

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