Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 93
Wurde Auskunft verlangt und liegen die erforderlichen Informationen vor, muss der Berechtigte zeitnah seinen Anspruch konkret beziffern.
Probleme können sich in der Praxis dann ergeben, wenn der Unterhaltsberechtigte nach einem Auskunftsverlangen seinen Anspruch beziffert, dann aber später einen noch höheren Unterhaltsanspruch rückwirkend verlangt. Der BGH hat klargestellt, dass § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB es grundsätzlich nicht erlaubt, einen nach dem ursprünglichen Auskunftsbegehren bezifferten Unterhaltsanspruch nachträglich für die Vergangenheit betragsmäßig zu erhöhen.
Rz. 94
BGH, Beschl. v. 7.11.2012 – XII ZB 229/11
Zitat
Hat der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch bereits beziffert, nachdem er zunächst von dem Unterhaltspflichtigen Auskunft gemäß § 1613 Abs. 1 BGB begehrt hat, so kann er nicht rückwirkend einen höheren Unterhalt verlangen, wenn der Unterhaltspflichtige bei der erstmals erfolgten Bezifferung nicht mit einer Erhöhung zu rechnen brauchte.
Soweit der Unterhaltsberechtigte aber seinen Unterhaltsanspruch nach Auskunftserteilung beziffert hat, ohne sich zugleich vorzubehalten, den Anspruch gegebenenfalls im Hinblick auf noch nicht erfolgte Auskünfte zu erhöhen, braucht der Unterhaltspflichtige nur noch mit einer Inanspruchnahme in der bezifferten Höhe zu rechnen. Ließe man es dagegen zu, dass später noch höhere Forderungen für die Vergangenheit wirksam geltend gemacht werden, würde man dem Schuldner genau das Risiko unkalkulierbar angewachsener Rückstände aufbürden, vor welchem § 1613 BGB ihn schützen will.
Zudem ist nicht gerechtfertigt, den Unterhaltsberechtigten, der seine Forderung nach vorangegangener Auskunft beziffert hat, besser zu stellen als den Unterhaltsberechtigten, der seine Unterhaltsforderung sogleich beziffert hat. Für Letzteren begründet § 1613 Abs. 1 BGB nur in Höhe des bezifferten Betrages Verzug, so dass eine nachträgliche Erhöhung des Anspruchs rückwirkend nicht möglich ist. (BGH, Beschl. v. 7.11.2012 – XII ZB 229/11; BGH v. 15.11.1989 – IVb ZR 3/89, FamRZ 1990, 283, 285).
Auch eine rückwirkende Erweiterung um den Altersvorsorgeunterhalt scheidet aus.
Zwar könne Altersvorsorgeunterhalt für die Vergangenheit nicht erst von dem Zeitpunkt an verlangt werden kann, in dem er ausdrücklich geltend gemacht worden ist. Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt sind nicht Gegenstand eigenständiger Ansprüche sind, sondern lediglich Teile des einheitlichen, den gesamten Lebensbedarf umfassenden Unterhaltsanspruchs. Daher reicht aus, dass vom Unterhaltspflichtigen Auskunft mit dem Ziel der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs begehrt worden ist. Eines gesonderten Hinweises, es werde auch Altersvorsorgeunterhalt verlangt, bedarf es nicht.
Dies betrifft jedoch allein das Auskunftsersuchen als solches, nicht die Bezifferung des Anspruchs. Sofern der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch beziffert hat, ohne damit einen Altersvorsorgeunterhalt geltend zu machen, scheidet ein rückwirkend verlangter, über den bezifferten Betrag hinausgehender Unterhalt aus. Denn Unterhalt wird regelmäßig in voller Höhe geltend gemacht, so dass die Vermutung gegen eine Teilforderung spricht. Beziffert der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch, ohne zugleich Altersvorsorgeunterhalt geltend zu machen, fehlt es an einem erkennbaren Vorbehalt hinsichtlich einer etwaigen Nachforderung von Vorsorgeunterhalt.
Auch in den Fällen, in denen sich der Unterhaltsgläubiger nicht bewusst war, Vorsorgeunterhalt verlangen zu können, kann von einem solchen Vorbehalt nicht ausgegangen werden. Aus der Sicht des Unterhaltsberechtigten ist nämlich der gesamte Unterhalt geltend gemacht worden, während die Annahme eines Vorbehalts voraussetzt, dass sich der Unterhaltsberechtigte des Bestehens einer weiteren Forderung bewusst war.