Rz. 44

F verlangt von M nachehelichen Unterhalt. M hat nach Bereinigung und etwaigen Vorwegabzug von Kindesunterhalt ein Nettoeinkommen von 3.200 EUR. F hat aus einer (angemessenen) Halbtagstätigkeit ein bereinigtes Nettoeinkommen von 800 EUR. Es ist unstreitig bzw. nachgewiesen, dass im Übrigen ein Erwerbshindernis wegen Kinderbetreuung (§ 1570 BGB) besteht. Bei einer Vollzeittätigkeit würde F 1.400 EUR netto verdienen. F hat während der Ehe ihre frühere Erwerbstätigkeit aufgegeben. Es ist unstreitig bzw. nachgewiesen, dass F ohne Eheschließung heute 1.600 EUR netto verdienen würde. M möchte eine Begrenzung des Unterhalts nach § 1578b BGB.

I. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 45

Es kommen hier Teilansprüche in Form von Aufstockungsunterhalt und Betreuungsunterhalt in Betracht. Allgemein zum Ehegattenunterhalt siehe Fälle 15 bis 18, § 3 Rdn 1 ff.

 

BGH, Beschl. v. 26.2.2014 – XII ZB 235/12 Rn 10

Der Senat unterscheidet in ständiger Rechtsprechung für die Abgrenzung der Anspruchsgrundlagen wegen eines Erwerbshindernisses aus §§ 1570 bis 1572 BGB und aus § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt) danach, ob wegen des vorliegenden Hindernisses eine Erwerbstätigkeit vollständig oder nur zum Teil ausgeschlossen ist.

Wenn der Unterhaltsberechtigte an einer Erwerbstätigkeit vollständig gehindert ist, ergibt sich der Unterhaltsanspruch allein aus §§ 1570 bis 1572 BGB, und zwar auch für den Teil des Unterhaltsbedarfs, der nicht durch das Erwerbshindernis verursacht worden ist, sondern auf dem den angemessenen Lebensbedarf übersteigenden Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB beruht.

Bei einer – wie hier – lediglich teilweisen Erwerbshinderung ist der Unterhalt allein wegen des durch die Erwerbshinderung verursachten Einkommensausfalls auf §§ 1570 bis 1572 BGB zu stützen und im Übrigen auf § 1573 Abs. 2 BGB (Senatsurteile BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 Rn 20 und vom 21.4.2010 – XII ZR 134/08, FamRZ 2010, 1050 Rn 41).

 

Übersicht zu den Teilansprüchen

Die Unterhaltsberechtigte übt eine vollschichtige angemessene Erwerbstätigkeit aus oder aber könnte diese ausüben:

nur Aufstockungsunterhalt

Die Unterhaltsberechtigte übt keine Erwerbstätigkeit aus und kann eine solche auch nicht ausüben, die Unterhaltsberechtigte ist aus den in § 1570 genannten Gründen also vollständig an einer Erwerbstätigkeit gehindert:

nur Betreuungsunterhalt

Die Unterhaltsberechtigte ist aus den in § 1570 genannten Gründen nur teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert:

Differenz zwischen tatsächlichem Teilzeiteinkommen und (fiktivem) Einkommen bei Vollzeiteinkommen: Betreuungsunterhalt
Verbleibende Differenz zwischen Eigeneinkommen und Betreuungsunterhalt einerseits und Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen andererseits: Aufstockungsunterhalt

II. Bedarf der F

 

Rz. 46

Der Bedarf bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB). Es gilt der Halbteilungsgrundsatz. Unter Berücksichtigung des 10 %igen Erwerbstätigenbonus betragen das bedarfsbestimmende Einkommen des M 2.880 EUR (3.200 – 320 EUR), das bedarfsbestimmende Einkommen der F 720 EUR (800 – 80 EUR). Der Gesamtbedarf von M und F beläuft sich somit auf 3.600 EUR (2.880 + 720 EUR). Der Halbanteil und damit der Einzelbedarf beträgt somit 1.800 EUR.

III. Bedürftigkeit der F

 

Rz. 47

F kann ihren ermittelten Bedarf von 1.800 EUR in Höhe von 720 EUR durch Eigeneinkommen decken. Weiteres, nicht eheprägendes Einkommen ist nicht hinzugekommen.

Es verbleibt somit ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 1.080 EUR (1.800 – 720 EUR).

IV. Leistungsfähigkeit des M

 

Rz. 48

M ist für seine Leistungsunfähigkeit darlegungs- und beweispflichtig. Eine Leistungsunfähigkeit ist aber auch nicht ersichtlich, weil M nach Zahlung von 1.080 EUR Unterhalt noch 2.120 EUR verbleiben, also mehr als der Ehegattenmindestselbstbehalt von 1.280 EUR.

V. Sonderfragen, insb. Herabsetzung und Befristung

 

Rz. 49

Neben bspw. Verwirkung, Verzug, Mangelverteilung und Rangfragen sind an letzter Stelle – abgesehen von einer abschließenden allgemeinen Angemessenheitsprüfung – die Herabsetzung und Befristung des Unterhalts (§ 1578b BGB) zu prüfen.

Es stellt sich die Frage: ist die Fortdauer eines Unterhaltsanspruchs von 720 EUR unbillig i.S.v. § 1578b BGB?

1. Ausgangspunkt für die Überlegungen zur Begrenzung: Grundsatz der Eigenverantwortung

 

Rz. 50

Siehe hierzu den vorhergehenden Fall 58, Rdn 7 ff.

2. Inhalt des § 1578b

 

Rz. 51

Im Jahr 2013 wurde § 1578b in Abs. 1 S. 2 und 3 geändert. Die Ehedauer wurde in Satz 2 des Absatz 1 ausdrücklich als weiterer Billigkeitsmaßstab aufgenommen. Dadurch wurde die Nennung der Ehedauer im Zusammenhang mit den ehebedingten Nachteilen in Satz 3 entbehrlich. Die Änderung diente nur der Klarstellung des Willens des Reformgesetzgebers. Die Änderung des Wortlauts des § 1578b BGB hat also zu keinen Inhaltlichen Änderungen geführt.

3. Anwendungsbereich des § 1578b BGB

 

Rz. 52

Ausgangspunkt ist, dass grundsätzlich alle Unterhaltsansprüche begrenzt (herabgesetzt und/oder befristet) werden können.

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Begrenzbarkeit aller Unterhaltsansprüche bildet der Unterhalt wegen Kinderbetreuung.

Der Betreuungsunterhaltsanspruch

kann zwar nach § 1578b Abs. 2 der Höhe nach begrenzt werden,
aber er kann nicht nach § 1578b Abs. 1 zeitlich begrenzt werden, denn ...

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