Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
Rz. 139
Die Nachlassverwaltung ist eine besondere Form der Nachlasspflegschaft; allerdings ist der Nachlassverwalter Partei kraft Amtes und untersteht der Aufsicht des Nachlassgerichts (§§ 1975, 1962, 1915 Abs. 1 S. 1, 1837 Abs. 1 BGB). Insofern unterscheidet er sich teilweise vom Nachlasspfleger i.S.v. §§ 1960, 1961 BGB; jener ist gesetzlicher Vertreter des Erben, untersteht aber auch der Aufsicht des Nachlassgerichts. Im Prozess ist der Nachlassverwalter gesetzlicher Prozessstandschafter. Der Erbe verliert die aktive und passive Prozessführungsbefugnis (§ 1984 Abs. 1 BGB). Die durch den Tod des Erblassers unterbrochenen Prozesse nimmt er auf (§§ 239, 246 ZPO). Er hat Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass (§§ 1984 Abs. 1 S. 1, 1985 Abs. 1 BGB), d.h. er kann sich auch mit Wirkung gegenüber dem Nachlass verpflichten (§§ 1975, 1915 Abs. 1 S. 1, 1793 BGB). Rechtshandlungen des Erben sind ab der Anordnung der Nachlassverwaltung absolut unwirksam (§ 1984 Abs. 1 S. 2 BGB, § 81 InsO). Vom Nachlassverwalter ist ein Verzeichnis des Nachlasses dem Nachlassgericht einzureichen (§§ 1975, 1962, 1915 Abs. 1 S. 1, 1802 BGB).
Rz. 140
Es bestehen Genehmigungserfordernisse nach §§ 1821 ff. BGB von Seiten des Nachlassgerichts, auch wenn der Erbe volljährig ist (wegen der Verweisung in §§ 1975, 1962, 1915 BGB). Für die Erteilung der nachlassgerichtlichen Genehmigung ist grundsätzlich der Rechtspfleger zuständig. Hauptaufgabe ist die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten (§§ 1985 Abs. 1 S. 1, 1986 Abs. 1 S. 1 BGB). Dazu wird er in der Regel den Nachlass liquidieren müssen. Es ist aber nicht seine Aufgabe, die Nachlassauseinandersetzung vorzunehmen; vielmehr hat er nach Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten den Überschuss an die Erben herauszugeben, § 1986 Abs. 1 BGB.
Fallbeispiel
Erblasser E hat an D einen Pkw verkauft, der Kaufpreis ist in monatlichen Raten zu bezahlen, die letzte Rate von 1.000 EUR ist noch offen. Der Sohn des E, S, steht mit D in laufender Geschäftsbeziehung, aus der dem D ein Guthabensaldo von 3.000 EUR zusteht.
E stirbt, sein Sohn S wird Alleinerbe. Daraufhin rechnet D mit seiner Forderung in Höhe des Teilbetrages von 1.000 EUR gegen die noch offene Restkaufpreisforderung auf. Einen Monat später wird Nachlassverwaltung angeordnet. Der Nachlassverwalter NV fordert von D die Kaufpreisrate von 1.000 EUR für den Nachlass. D verweigert die Zahlung. NV erhebt im eigenen Namen Klage gegen D auf Zahlung der 1.000 EUR. D beantragt Klagabweisung, weil die Klage sowohl unzulässig als auch unbegründet sei.
NV sei nicht aktiv legitimiert, er könne die Kaufpreisforderung nicht im eigenen Namen geltend machen, allenfalls als Vertreter des Erben S. Außerdem sei die Forderung durch Aufrechnung erloschen, die Klage deshalb auch unbegründet.
Lösungsvorschlag
Die Klage ist zulässig. NV hat als Nachlassverwalter die Stellung einer Partei kraft Amtes und kann deshalb als gesetzlicher Prozessstandschafter im eigenen Namen Forderungen für den Nachlass des E geltend machen (§ 1984 Abs. 1 BGB; RGZ 135, 305).
Die Klage ist auch begründet. Die durch die Aufrechnungserklärung zunächst erloschene Restkaufpreisforderung ist mit der Anordnung der Nachlassverwaltung wieder aufgelebt. Die Aufrechnung gilt gemäß § 1977 Abs. 2 BGB mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Erbfalls als nicht erfolgt.
Rz. 141
Aufgaben des Nachlassverwalters:
Der Nachlassverwalter hat den Nachlass in Besitz zu nehmen, ihn zu verwalten und die Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen, §§ 1985, 1986 BGB. Gibt der Erbe den Nachlass nicht heraus, so muss der Nachlassverwalter Klage auf Herausgabe erheben, denn der Beschluss über die Anordnung der Nachlassverwaltung ist kein Vollstreckungstitel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
Der Nachlassverwalter kann alle tatsächlichen und rechtlichen Handlungen im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft vornehmen.
Nicht zu seinen Aufgaben gehört die Auseinandersetzung des Nachlasses; vielmehr hat er nach Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten den Überschuss an die Erben herauszugeben, § 1986 Abs. 1 BGB.
Der Nachlassverwalter hat dem Nachlassgericht ein Nachlassverzeichnis vorzulegen, § 1802 BGB. Richtigkeit und Vollständigkeit sind zu versichern.
Außerdem ist er verpflichtet, über seine Tätigkeit dem Nachlassgericht Auskunft zu geben und jährlich Rechnung zu legen, §§ 1975, 1915 Abs. 1, 1839, 1840, 1841, 1843 BGB.