Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
a) Die Dreimonatseinrede
Rz. 105
Auch nach Annahme der Erbschaft steht dem Erben die Einrede zu, die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit innerhalb der ersten drei Monate nach Erbschaftsannahme zu verweigern (§ 2014 BGB). Das Gesetz gewährt dem Erben eine Schonfrist, damit er sich einen Überblick über den Nachlass verschaffen kann. Die Frist beginnt mit der Annahme der Erbschaft, also spätestens nach Ablauf der Ausschlagungsfrist; bei Bestellung eines Nachlasspflegers vor Erbschaftsannahme beginnt die Frist schon mit der Bestellung, § 2017 BGB. Die Bestellung des Nachlasspflegers erfolgt durch Beschluss des Nachlassgerichts.
Ergänzt wird § 2014 BGB durch § 305 ZPO: Im Prozess führt die Geltendmachung der Einrede zur Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung in das Urteil. Um sich die Möglichkeit einer umfassenden Haftungsbeschränkung zu eröffnen, ist dem beklagten Erben zu empfehlen, nicht nur einen Antrag gem. § 305 ZPO zu stellen, sondern gleichzeitig auch den umfassenden Antrag gem. § 780 ZPO.
Rz. 106
Formulierungsbeispiel: Haftungsbeschränkungsvorbehalt
Für den Fall der ganzen oder teilweisen Stattgabe der Klage wird die Aufnahme zweier Haftungsbeschränkungsvorbehalte nach § 305 und § 780 ZPO in den Tenor des Urteils des Inhalts beantragt, dass dem Beklagten die Geltendmachung seiner Rechte aus § 2014 BGB sowie die Beschränkung seiner Haftung jeweils für Hauptanspruch, Nebenforderungen und Kosten auf den Nachlass des Erblassers (...) vorbehalten wird.
Rz. 107
Für die Zwangsvollstreckung gilt § 782 ZPO: Aufgrund des Vorbehalts ist eine etwaige Zwangsvollstreckung auf reine Sicherungsmaßnahmen (Pfändung ohne Verwertung, §§ 930–932 ZPO) zu beschränken. Durchgesetzt wird der Vorbehalt mit der Vollstreckungsgegenklage, §§ 780 Abs. 1, 782, 785, 767 ZPO.
b) Aufgebotseinrede
Rz. 108
Das Gesetz gewährt dem Erben nach der Erbschaftsannahme eine weitere Schonungseinrede (§ 2015 BGB): Während des laufenden Aufgebotsverfahrens der Nachlassgläubiger kann der Erbe ebenfalls die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit einredeweise verweigern. Auch hier soll dem Erben Gelegenheit gegeben werden, sich Klarheit über die Nachlassverbindlichkeiten und den Nachlassumfang zu verschaffen.
Das 9. Buch der ZPO wurde mit Inkrafttreten des FamFG aufgehoben; es gelten die Aufgebotsvorschriften der §§ 433 ff. FamFG.
Rz. 109
Folge der Erhebung der Einrede im Prozess ist ein Vorbehaltsurteil gem. § 305 ZPO und § 782 ZPO in der Vollstreckung. Um sich die Möglichkeit einer umfassenden Haftungsbeschränkung zu eröffnen, ist dem beklagten Erben zu empfehlen, nicht nur einen Antrag gem. § 305 ZPO zu stellen, sondern gleichzeitig auch den umfassenden Antrag gem. § 780 ZPO.
Rz. 110
Formulierungsbeispiel: Umfassender Haftungsbeschränkungsvorbehalt
Für den Fall der ganzen oder teilweisen Stattgabe der Klage wird die Aufnahme zweier Haftungsbeschränkungsvorbehalte nach § 305 und § 780 ZPO in den Tenor des Urteils des Inhalts beantragt, dass dem Beklagten die Geltendmachung seiner Rechte aus § 2015 BGB sowie die Beschränkung seiner Haftung jeweils für Hauptanspruch, Nebenforderungen und Kosten auf den Nachlass des Erblassers (...) vorbehalten wird.
c) Formulierungsbeispiel: Antrag in einer Vollstreckungsgegenklage bei noch nicht abgeschlossenem Nachlassgläubigeraufgebot
Rz. 111
Formulierungsbeispiel: Antrag in einer Vollstreckungsgegenklage bei noch nicht abgeschlossenem Nachlassgläubigeraufgebot
Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des (...)gerichts (...) vom (...) – Az. (...) – wird, soweit sie über reine Sicherungsmaßnahmen hinausgeht, für die Zeit bis zum Abschluss des beim Amtsgericht (...) unter Az. (...) betriebenen Verfahrens zum Aufgebot der Nachlassgläubiger in der Nachlasssache (...) für unzulässig erklärt, insbesondere wird die Überweisung des gepfändeten Auszahlungsanspruchs bezüglich des Guthabens auf dem Konto IBAN (...), BIC (...) bei der (...) Bank, Kontoinhaber: (...), im Wege der Zwangsvollstreckung bis zum Abschluss des bezeichneten Aufgebotsverfahrens für unzulässig erklärt.
Außerdem wird die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des (...)gerichts (...) vom (...) – Az. (...) – ohne Anordnung der Sicherheitsleistung, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung, beantragt (§§ 782, 785, 767 ZPO).
Vorbehalt war im Ersturteil gem. § 2015 BGB, § 305 ZPO aufgenommen.
Rz. 112
§ 782 ZPO, der auf das Arrestrecht verweist, hat eine zu sichernde Geldforderung im Auge, weil die Regeln des Arrestes nur auf Geldforderungen anzuwenden sind. Sollte der eingeklagte Anspruch aber auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gerichtet sein – bspw. auf Erfüllung eines Grundstücksvermächtnisses –, so könnte in entsprechender Anwendung von § 782 ZPO lediglich eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen werden, denn nur die Vormerkung sichert den Eigentumsübertragungsanspruch. Da aber das Vorbehaltsurteil in einem solchen Fall die Verurteilung zur Auflassung enthält, damit die abzugebende Willenserklärung gem. § 894 ZPO mit Rechtskraft ersetzt wird, muss die Unzulässigkeit der Eigentumsumschreibung bis zum Abschluss des Aufgebotsverfahrens bereits in den Tenor des Vorbehaltsurteils, also des Ersturteils,...