Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
a) Haftungsbeschränkung – die Einrede des ungeteilten Nachlasses für den Miterben
Rz. 331
Solange der Nachlass nicht geteilt ist, besteht infolge der gesamthänderischen Bindung des Nachlasses als Sondervermögen eine Gütersonderung zwischen dem Nachlass einerseits und den jeweiligen Eigenvermögen der Miterben andererseits. Die Vermögensseparierung muss hier nicht – wie beim Alleinerben – herbeigeführt werden. Diese besondere Situation kommt jedem der Miterben insofern zugute, als ihm das Gesetz die Möglichkeit eröffnet, per Einrede seine Haftungsbeschränkung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass geltend zu machen, die Einrede des ungeteilten Nachlasses, § 2059 Abs. 1 BGB.
Rz. 332
Die Haftung der Miterben durch die Einleitung eines der zwei Verfahren (Nachlassverwaltung, Nachlassinsolvenz) zu beschränken, ist vor der Erbteilung nicht erforderlich, weil das Gesetz die Verfügungsbefugnis über den Nachlass von der über das Eigenvermögen jedes Erben trennt:
Wenn mehrere Miterben vorhanden sind, so werden Eigenvermögen und Nachlass auch ohne besonderes Verfahren voneinander getrennt: Über den Nachlass können die Miterben nur gemeinschaftlich verfügen, vgl. § 2040 Abs. 1 BGB. Daher kann der einzelne Miterbe auch nicht erzwingen, dass eine bestimmte Nachlassverbindlichkeit aus dem Nachlass beglichen wird; er ist vielmehr auf die Zustimmung der anderen Miterben angewiesen.
Rz. 333
Deshalb beschränkt § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB bis zur Teilung des Nachlasses die Haftung des Miterben für Nachlassverbindlichkeiten, indem er grundsätzlich seine Haftung mit seinem Eigenvermögen ausschließt (Einrede des ungeteilten Nachlasses). Nach der Teilung bedarf es dieser Beschränkung nicht mehr; denn dann kann jeder Miterbe über die ihm in der Erbteilung zugeteilten Gegenstände ohne Rücksicht auf die anderen Miterben verfügen.
Fazit: Jeder Miterbe, der noch beschränkbar haftet, kann vor der Nachlassteilung die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit aus seinem Eigenvermögen verweigern, indem er die Einrede des ungeteilten Nachlasses erhebt (§ 2059 Abs. 1 S. 1 BGB, §§ 781, 785 ZPO).
b) Die Ausnahme von der besonderen Haftungsbeschränkung
aa) Der Erbteil als besondere Erscheinungsform des Erblasservermögens
Rz. 334
§ 2059 Abs. 1 BGB beschränkt aber die Haftung nicht soweit, wie es die allgemeinen Haftungsbeschränkungsvorschriften tun. Diese beschränken die Haftung auf den Nachlass und schließen jede Haftung des Eigenvermögens des Erben aus. § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB lässt die Haftung eines Gegenstandes des Eigenvermögens des Erben bestehen: die Haftung des Erbteils. Der Erbteil ist ein besonderes, vom Nachlass selbst zu unterscheidendes Recht. Mit diesem Erbteil als einem Teil des Eigenvermögens haftet der Erbe gem. § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB auch für Nachlassverbindlichkeiten, sofern nicht etwa Nachlassverwaltung oder das Nachlassinsolvenzverfahren angeordnet ist. Damit kommt das Gesetz dem Gläubiger entgegen, der auf der Grundlage von § 2058 BGB einen Miterben als Gesamtschuldner hat verurteilen lassen. Der Gläubiger kann nicht in den Nachlass vollstrecken (§ 747 ZPO), wohl aber sich an den Erbteil des gesamtschuldnerisch haftenden Miterben halten, indem er diesen Erbteil pfändet.
bb) Pfändung des Erbteils
Rz. 335
Wenn ein Nachlassgläubiger einen Erbteil gepfändet hat, so brauchen die Miterben nur eine Nachlassverwaltung herbeizuführen, dann kann der betroffene Miterbe nach § 1975 BGB, §§ 780, 781, 784, 785, 767 ZPO im Wege der Vollstreckungsgegenklage die Aufhebung der Pfändung bewirken.
cc) Rechte des Pfändungspfandgläubigers
Rz. 336
Der Grund für die Ausnahme in § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB (Haftung des Erbteils) wird erst klar, wenn man sich vor Augen führt, welche Rechte ein Nachlassgläubiger mit einem gepfändeten Erbteil ausüben kann:
1. |
Er kann den Erbteil veräußern oder versteigern, §§ 857 Abs. 5, 844 ZPO. Diese Möglichkeit dürfte aber für den Nachlassgläubiger kaum praktische Bedeutung haben. Er kann bequemer mit einem Titel gegen alle Miterben nach § 747 ZPO in einzelne Gegenstände des Nachlasses vollstrecken. |
2. |
Der Nachlassgläubiger kann sich den Erbteil nach § 835 Abs. 1 ZPO überweisen lassen. Die Überweisung kann nicht an Zahlungs statt erfolgen, weil der Miterbenanteil keinen auf die Forderung des Gläubigers anrechenbaren Nennwert aufweist, wie es § 835 Abs. 1 ZPO voraussetzt. Es kommt also nur eine Überweisung zur Einziehung in Betracht. Damit bedarf die dingliche Übereignung aller Nachlassgegenstände anlässlich der Auseinandersetzung und auch die Übereignung eines einzelnen Nachlassgegenstandes der Zustimmung des Pfandgläubigers. Darin liegt ein relatives Veräußerungsverbot nach § 135 BGB. Eintragbarkeit der Erbteilspfändung im Grundbuch: Weil die Erbteilspfändung zu einem relativen Veräußerungsverbot führt, kann sie in die Abteilung II des Grundbuchs eingetragen werden; der Pfandgläubiger kann die Voreintragung des Miterben nach § 895 BGB erzwingen. Das Pfändungspfandrecht am Erbteil sichert den Gläubiger also durch ein relatives Veräußerungsverbot betreffend die einzelnen Nachlassgegenstände; durch die Eintragung im Grundbuch kann der Nachlassgläubiger den gutgläubigen Erwerb von Immobilien des Nachlasses ausschließen. |
3. |
Mit Erwerb des Pfändungspfandrechts kann der Pfändungsgläubiger anstelle des... |