Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
Rz. 175
▪ |
Der Nachlass wird mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beschlagnahmt, § 80 InsO. Die Eröffnung wird wirksam mit dem im Eröffnungsbeschluss genannten Zeitpunkt – falls dieser fehlt, mit der Mittagsstunde des Beschlusstages, § 27 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 InsO. |
▪ |
Zu dem im Eröffnungsbeschluss genannten Zeitpunkt verliert der Schuldner = Erbe Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass, einschließlich Prozessführungsbefugnis, §§ 80 ff. InsO. |
▪ |
Der (endgültige) Insolvenzverwalter hat ab diesem Zeitpunkt ausschließliches Verwaltungs- und Verfügungsrecht (§§ 27, 80 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter muss den Fortbestand seiner Berechtigung als Rechtsnachfolger i.S.d. § 727 Abs. 1 ZPO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweisen. |
▪ |
Auf Ersuchen des Insolvenzgerichts oder des Nachlassinsolvenzverwalters wird der Insolvenzvermerk in das Grundbuch eingetragen (§§ 32, 33, 81 InsO), |
▪ |
Rechtshandlungen des Schuldners (= Erben) sind mit der Eröffnung den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam (§ 81 InsO), |
▪ |
der Nachlass wird den Nachlassgläubigern vorbehalten (§§ 325, 327 InsO), |
▪ |
die Haftung des Erben beschränkt sich gegenüber den Nachlassgläubigern auf den Nachlass (§ 1975 BGB), |
▪ |
die Verschmelzung von Nachlass und Eigenvermögen des Erben wird mit Rückwirkung ab Erbfall beseitigt (§ 1978 Abs. 1 BGB), |
▪ |
Einzelvollstreckungen sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens unzulässig (§§ 89, 90 InsO). Die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens führt zu einer Unterbrechung aller Aktiv- und Passivprozesse der Erben, die diese als solche führen. Die Wirkung des § 240 ZPO tritt nur hinsichtlich solcher Prozesse nicht ein, die ausschließlich das nicht zum Nachlass gehörende persönliche Vermögen der Erben betreffen. |
▪ |
"Rückschlagsperre" des § 88 InsO: Hat ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag oder nach dem Antrag durch Zwangsvollstreckung eine Sicherung an einem Nachlassgegenstand erlangt, so wird diese Maßnahme mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens unwirksam. Nicht erfasst werden von dieser Sperre rechtsgeschäftliche Sicherungen; ein solcher Rechtserwerb unterliegt allenfalls der Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO. Unwirksam werden insbesondere Forderungspfändungen, die innerhalb der Monatsfrist vorgenommen worden sind. |
▪ |
Für die Immobiliarzwangsvollstreckung bewirkt das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO in Bezug auf persönliche Nachlassgläubiger Folgendes: Eine Zwangshypothek kann nicht mehr im Grundbuch eingetragen werden – der Eintrag selbst wäre ein Akt der Zwangsvollstreckung, wenn auch nur zum Zwecke der Sicherung der Forderung. Die Forderung ist zur Insolvenztabelle anzumelden. |
Die "Rückschlagsperre" des § 88 InsO bedeutet in diesem Zusammenhang: Hat ein persönlicher Nachlassgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung der Nachlassinsolvenz eine Zwangshypothek im Grundbuch eintragen lassen, so wird diese mit Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens unwirksam. Analog § 868 ZPO dürfte eine Eigentümergrundschuld entstehen.
Etwas anderes gilt aber für die Interimszeit zwischen Antragstellung und Verfahrenseröffnung, wenn Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden: Die durch besondere gerichtliche Anordnung verfügte Untersagung der Zwangsvollstreckung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO stellt ein Vollstreckungshindernis dar, aber es bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht auf Grundstücke.
Deshalb ist während dieses Interimsstadiums ihre Eintragung möglich. Allerdings gewinnt nach der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens die "Rückschlagsperre" des § 88 InsO Bedeutung: Möglicherweise wird danach die Eintragung der Zwangshypothek unwirksam.
Rz. 176
Sonderproblem: Die nach dem Erbfall im Wege der einstweiligen Verfügung erlangte Vormerkung
Wird nach dem Erbfall eine Vormerkung auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung erlangt und danach das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet, so ist gem. § 321 InsO der Nachlassinsolvenzverwalter berechtigt, die Löschung der Vormerkung zu verlangen.