Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
I. Rechtsstreit gegen den Erblasser
Rz. 230
Stirbt eine Partei während eines laufenden Rechtsstreits (in erster oder zweiter Instanz), so wird dieser mit dem Tod unterbrochen (§ 239 Abs. 1 ZPO). Der Erbe hat das Recht, den Rechtsstreit aufzunehmen und fortzuführen. War die Partei anwaltlich vertreten, so tritt die Unterbrechung nur auf Antrag ein (§ 246 Abs. 1 ZPO). Ist der Rechtsstreit durch den Tod des Klägers unterbrochen worden, so kann die Aufnahme auch durch einen einzelnen Miterben erfolgen, der gemäß § 2039 BGB zur Geltendmachung des Klageanspruchs berechtigt ist.
1. Haftungsbeschränkungsvorbehalt im Urteil
Rz. 231
Nimmt der Erbe den Rechtsstreit auf, so muss er darauf achten, dass er sich die Möglichkeit, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken, vorbehält. Dafür sieht § 780 Abs. 1 ZPO vor, dass ein Vorbehalt in den Urteilstenor aufgenommen wird – Aufnahme des Vorbehalts in die Urteilsgründe reicht nicht.
Hinweis
Haftungsbeschränkungsvorbehalt auch bezüglich der Prozesskosten!
Da der Rechtsstreit noch vom Erblasser begonnen wurde, sind die Kosten des Rechtsstreits zweifellos Nachlassverbindlichkeiten. Will der Erbe auch bezüglich der Kosten nur beschränkt haften, dann muss der Vorbehalt nicht nur bezüglich der Hauptsache, sondern auch bezüglich der Prozesskosten aufgenommen und zuvor entsprechend beantragt werden. Formulierungsvorschlag für einen entsprechenden Antrag:
Formulierungsbeispiel: Haftungsbeschränkung wegen Kosten des Rechtsstreits
Es wird beantragt, in den Urteilstenor folgenden Vorbehalt aufzunehmen: Dem Beklagten bleibt die Beschränkung seiner Haftung bezüglich der Hauptsache, Nebenforderungen und der Kosten des Rechtsstreits auf den Nachlass des am (...) verstorbenen (...) vorbehalten.
Vgl. dazu im Einzelnen unten Rdn 248 ff.
Rz. 232
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Haftungsbeschränkung des Erben bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung tatsächlich bereits eingetreten ist oder nicht. In jedem Falle kann sich der Erbe seine beschränkte Haftung rein vorsorglich vorbehalten, und zwar selbst dann, wenn noch nicht einmal klar ist, ob die Voraussetzungen für Haftungsbeschränkungsmaßnahmen überhaupt jemals eintreten werden.
Vorsichtshalber wird deshalb jeder Erbe den Vorbehalt für seine beschränkte Haftung in den Urteilstenor aufnehmen lassen, weil er ansonsten Gefahr läuft, mit seinem Eigenvermögen für die titulierte Forderung zu haften.
Rz. 233
Hat es der Erbe versäumt, den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung im Prozess geltend zu machen, kann der Vorbehalt unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO auch erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemacht werden, weil es sich um nicht beweisbedürftiges Vorbringen handelt, das das Berufungsgericht seiner Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ohne weiteres zugrunde zu legen hat. Die Aufnahme des Vorbehalts kann auch alleiniges Ziel einer Berufung sein.
Ein vom Erbe beantragter, aber im Urteil vom Gericht vergessener Vorbehalt kann noch gemäß § 321 ZPO durch Urteilsergänzung in den Urteilstenor aufgenommen werden (Achtung: Zwei-Wochen-Frist!).
Hat das Gericht den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung geprüft und verneint, kann der Erbe die Berufung auf die Zurückweisung des Vorbehalts beschränken, ohne dass es dafür des Erreichens der Berufungssumme bedürfte.
Rz. 234
War dem Erblasser ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt worden und nehmen die Erben den Rechtsstreit nicht auf, so können sie nicht für die Kosten haftbar gemacht werden.
2. Wie wird der Vorbehalt zugunsten des Erben umgesetzt?
a) Vollstreckung in den Nachlass
Rz. 235
Solange der Gläubiger aus dem Vorbehaltsurteil in Nachlassgegenstände vollstreckt, hat der Erbe als Schuldner keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Der Nachlass haftet in jedem Fall für die Forderung, die bereits gegen den Erblasser eingeklagt war.
b) Vollstreckung in das Eigenvermögen
Rz. 236
Vollstreckt der Gläubiger aus dem Vorbehaltsurteil jedoch in Gegenstände des Eigenvermögens des Erben, so steht dem Erben dagegen die Vollstreckungsgegenklage offen (§§ 767, 785, 781 ZPO), falls er bis zu diesem Zeitpunkt eine wirksame Haftungsbeschränkungsmaßnahme ergriffen hat. Deshalb ist es Aufgabe des Erben, so bald wie möglich nach Erlangung des Vorbehaltsurteils eine Haftungsbeschränkungsmaßnahme (Anordnung der Nachlassverwaltung, Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens, Erhebung der Dürftigkeitseinrede) herbeizuführen. Denn die Haftungsbeschränkung tritt erst mit dem Wirksamwerden einer solchen Haftungsbeschränkungsmaßnahme ein, andernfalls, wenn eine solche Maßnahme nicht ergriffen wurde, haftet der Erbe unbeschränkt, und der ihm gewährte Vorbehalt im Urteil geht ins Leere.
3. Einwendungen des Nachlassgläubigers
Rz. 237
Der Nachlassgläubiger könnte im Rechtsstreit über die Vollstreckungsgegenklage allenfalls geltend machen, der Vermögensgegenstand,...