Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
Rz. 407
Mit dem Eintritt einer Haftungsbeschränkungsmaßnahme werden die Erben gem. § 1978 BGB trotz ihrer Stellung als Rechtsinhaber an allen Nachlassgegenständen rückwirkend auf den Erbfall wie Verwalter fremden Vermögens behandelt. Zweck dieser Vorschrift ist es, den Nachlass den Nachlassgläubigern möglichst ungeschmälert zur Verfügung stehen zu lassen; zwar bleiben von den Erben als Berechtigten vorgenommene Verfügungen erhalten, diese werden aber für ihre Verwaltungsmaßnahmen den Nachlassgläubigern gegenüber so verantwortlich gemacht, als hätten sie den Nachlass von der Annahme der Erbschaft an im Auftrag der Nachlassgläubiger verwaltet. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Verantwortlichkeit vor Erbschaftsannahme und für die Zeit danach. Hier wird den Erben quasi im Nachhinein ein Auftragsverhältnis "untergeschoben".
1. Verantwortlichkeit vor Annahme der Erbschaft
Rz. 408
Für die erbschaftlichen Geschäfte vor Erbschaftsannahme gelten die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Erben sind vor der Annahme nur ausnahmsweise zum Tätigwerden für den Nachlass verpflichtet, wenn sie bereits zu einem vorangegangenen Zeitpunkt aktiv die Führung eines erbschaftlichen Geschäfts übernommen oder sie die Möglichkeit der Abwehr von die Zwangsvollstreckung in den Nachlass betreibenden Eigengläubigern nicht wahrgenommen hatten. Nach dem Verlust des Ausschlagungsrechts soll der Erbe jedoch zur Verwaltung des Nachlasses verpflichtet sein. Im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung haben die Erben stets auf den objektiv zu verstehenden potenziellen Willen und die Interessen der Gesamtheit der Nachlassgläubiger Rücksicht zu nehmen.
2. Verantwortlichkeit nach Annahme der Erbschaft
Rz. 409
Nach Annahme der Erbschaft werden die Erben so behandelt, als hätten sie fremdes Vermögen verwaltet – wie Beauftragte der Nachlassgläubiger (§ 1978 Abs. 1 S. 1 BGB). Eine dingliche Surrogation hat das Gesetz hier nicht vorgesehen mit der Folge, dass gegenüber den Erben nur schuldrechtliche Ansprüche bestehen können. Die Erben haften für die ordnungsgemäße Verwaltung und Erhaltung des Nachlasses und haben ihn mitsamt den Nutzungen an den Nachlassverwalter herauszugeben (§§ 667, 1984 BGB). Denkbar sind auch Schadensersatzansprüche des Nachlasses gegen die Erben wegen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Erben haften insoweit mit ihrem Eigenvermögen ohne die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung.
Rz. 410
Fiktion der Nachlasszugehörigkeit: Ersatzansprüche gegen die Erben nach § 1978 Abs. 1 BGB gelten gem. § 1978 Abs. 2 BGB als zum Nachlass gehörend und erhöhen den Aktivbestand des Nachlasses. Durch die Zurechnung zum Nachlass ist sichergestellt, dass Ersatz- und Erstattungsansprüche gegen die Erben einheitlich im Interesse aller beteiligten Nachlassgläubiger durchgesetzt werden, wobei nur noch der Nachlassverwalter bzw. der Nachlassinsolvenzverwalter anspruchsberechtigt ist. Die Erben haften insoweit unbeschränkt trotz ihrer sonstigen beschränkten Haftung durch Herbeiführung von Haftungsbeschränkungsmaßnahmen in Form der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens.