Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
I. Grundsätze
Rz. 315
Beachten die Miterben einer Erbengemeinschaft die gesetzlichen Regeln über die Verwaltung des Nachlasses und die Vorbereitung und Durchführung der Nachlassauseinandersetzung, so werden sich in der Praxis kaum Komplikationen in Bezug auf die Erbenhaftung, insbesondere nach erfolgter Nachlassauseinandersetzung, ergeben.
Rz. 316
Deshalb ist es Aufgabe des anwaltlichen Beraters, darauf hinzuwirken, dass vor der Nachlassteilung unter den Miterben sämtliche Verbindlichkeiten erfüllt werden. So sieht es auch das Gesetz vor: Nach § 2046 BGB sollen vor der Teilung alle Verbindlichkeiten beglichen und erforderlichenfalls Mittel für unsichere Forderungen zurückbehalten werden.
Rz. 317
Auch für die Erbenmehrheit gelten gemäß § 1922 Abs. 2 BGB die Haftungsvorschriften der §§ 1967–2017 BGB. Die mehreren Erben haften also grundsätzlich unbeschränkt, aber beschränkbar. Die Besonderheiten, die sich aus der Miterbengemeinschaft ergeben, sind in den §§ 2058 ff. BGB geregelt. Die Vermögensverschmelzung zwischen Nachlass und Eigenvermögen des Erben, wie sie beim Alleinerben in der Regel sehr rasch nach Eintritt des Erbfalls sich einstellt, ist bei der Erbengemeinschaft insofern zunächst ausgeschlossen, als das Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft rechtlich und faktisch vom Eigenvermögen des jeweiligen Miterben getrennt ist. Auf diese Weise tritt bereits durch die gesetzlichen Vorschriften über die Erbengemeinschaft kraft Gesetzes eine Gütersonderung ein. Dies gilt allerdings nur für die Zeit vor der Erbteilung. Die Verschmelzung von Eigenvermögen und Teilen des Nachlasses tritt bei der Erbengemeinschaft erst nach Vollzug der Erbteilung ein.
Rz. 318
Hinweis
Sehr häufig nehmen Miterben kurze Zeit nach dem Erbfall schon eine auf einzelne Nachlassgegenstände bezogene Teilauseinandersetzung des Nachlasses vor (Verteilung des Mobiliars, Pkw, Abschlagszahlungen aus Bankguthaben etc.). Dies stellt i.d.R. noch keine Teilung des Nachlasses im Sinne der Haftungsvorschriften dar. Wann der Nachlass als geteilt anzusehen ist, beurteilt sich nach dem objektiven Gesamtbild: Ist ein so erheblicher Teil der Nachlassgegenstände aus der Gesamthandsgemeinschaft in das Einzelvermögen der Miterben überführt, dass die Erbengemeinschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung als aufgelöst erscheint, ist die Teilung vollzogen. Dass der Nachlass vollständig verteilt ist, ist nicht erforderlich.
Rz. 319
Für jeden einzelnen Miterben gilt § 1958 BGB, wonach vor der Annahme der Erbschaft die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit verweigert werden kann. Nach Annahme der Erbschaft hat jeder Miterbe gegenüber Nachlassgläubigern die Einrede des ungeteilten Nachlasses gem. § 2059 BGB bezüglich seines Eigenvermögens, solange der Nachlass nicht auseinandergesetzt ist. Zur Vollstreckung in den Nachlass braucht jeder Gläubiger – gleichgültig ob Nachlassgläubiger oder Eigengläubiger – ohnehin einen Titel gegen alle Miterben, § 2059 Abs. 2 BGB, § 747 ZPO.
Rz. 320
Der unbeschränkten Haftung des Alleinerben mit dem Nachlass und seinem Eigenvermögen entspricht bei der Erbengemeinschaft die gesamtschuldnerische Haftung jedes Erben (§ 2058 BGB).
Rz. 321
Die Haftung des Erben vor der Nachlassauseinandersetzung einerseits und nach diesem Zeitpunkt andererseits ist unterschiedlich geregelt, weil sich die Interessenlage unterschiedlich darstellt und weil die gesetzlich vorgegebene Gütersonderung mit der Erbteilung aufgehoben ist.
II. Haftung der Miterben vor der Nachlassteilung
1. Wechselseitige Verpflichtung der Miterben zur ordnungsmäßigen Verwaltung
Rz. 322
Trotz des auf Auseinandersetzung gerichteten Zwecks der Erbengemeinschaft muss der Nachlass zwischen dem Erbfall und der endgültigen Erbauseinandersetzung zur Erhaltung als Haftungsmasse sinnvoll verwaltet werden. Diese Verwaltungsbefugnis kommt den Miterben zu, es sei denn, der Erblasser hätte sie einem Testamentsvollstrecker übertragen.
Die Verwaltung umfasst alle Maßnahmen zur Erhaltung oder Vermehrung des Nachlasses, gleichgültig, ob es sich um Maßnahmen des Innenverhältnisses oder des Außenverhältnisses handelt. Zur Verwaltung des Nachlasses in der Erbengemeinschaft vgl. § 12 Rdn 15 ff.
Rz. 323
Der gegenseitigen Mitwirkungspflicht der Miterben zu ordnungsmäßigen Verwaltungsmaßnahmen steht eine Sanktion bei der Erbenhaftung gegenüber: die gesamtschuldnerische Haftung nach § 2058 BGB. Diese gravierende Rechtsfolge für jeden einzelnen Miterben erfordert die Werterhaltung des Nachlasses durch sinnvolle Verwaltungsmaßnahmen, damit nicht durch eine Wertminderung eine Unterdeckung eintritt, die zu einer Haftung der Erben mit dem Eigenvermögen führen könnte.
Vor diesem Hintergrund ist auch das Erfordernis der Einstimmigkeit zu außerordentlichen Verwaltungsmaßnahmen zu sehen (§ 2038 Abs. 1 S. 1 BGB). Das wirtschaftliche Risiko außergewöhnlicher Verwaltungsmaßnahmen soll nur dann eingegangen werden können, wenn jeder Miterbe zustimmt, weil ihn auch die gesamtschuldnerische Haftung des § 2058 BGB tri...