Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
Rz. 132
Bei der eingetretenen Vermögensverschmelzung kann es in den Fällen, in denen die Gefahr der Überschuldung des Nachlasses besteht, nicht bleiben. Deshalb räumt das Gesetz dem Erben die Möglichkeit ein, die Vermögensmassen – bei einheitlicher Rechtsträgerschaft des Erben – in Bezug auf die Verwaltungszuständigkeit wieder zu trennen, um auf diese Weise eine Haftungsbeschränkung rechtlich und praktischerweise auch tatsächlich erreichen zu können (Herbeiführen der Gütersonderung). Die Trennung wird auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückfingiert. Kennt der Erbe den Umfang des Nachlasses nicht und muss er dessen Überschuldung befürchten, so ist das geeignete Haftungsbeschränkungsmittel die Nachlassverwaltung. Die Nachlassverwaltung ist ein Unterfall der Nachlasspflegschaft; aber es gibt doch einige erhebliche Unterschiede. So ist der Nachlasspfleger gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben, während der Nachlassverwalter weder Vertreter der Erben noch der Nachlassgläubiger ist, sondern Inhaber eines privaten Amtes. Auch wenn Testamentsvollstreckung besteht, kann Nachlassverwaltung angeordnet werden. Ebenso bei bestehender Nachlasspflegschaft.
1. Verfahren
a) Zuständigkeit
Rz. 133
Das Nachlassgericht ordnet auf Antrag die Nachlassverwaltung an, wenn eine die Kosten der Nachlassverwaltung deckende Masse vorhanden (§ 1982 BGB) und noch kein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist (§ 1988 BGB). Örtliche Zuständigkeit: Nachlassgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers, § 341 FamFG. Funktionell zuständig ist grundsätzlich der Rechtspfleger (§§ 3 Nr. 2 Buchst. c, 16 Abs. 1 Nr. 1 RPflG). Bekanntmachung erfolgt gegenüber dem Erben (§§ 15, 63 FamFG) und durch öffentliche Bekanntmachung (§§ 40, 41 FamFG).
b) Antragsberechtigung
Rz. 134
Antragsberechtigt sind:
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der Erbe, und zwar zeitlich unbeschränkt, § 1981 Abs. 2 BGB, Miterben nur gemeinschaftlich, § 2062 BGB (nach der Erbteilung kann der Antrag nicht mehr gestellt werden, § 2062 Hs. 2 BGB); der Nacherbe nach Eintritt des Nacherbfalls, § 2144 Abs. 1 BGB, |
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jeder Nachlassgläubiger innerhalb von zwei Jahren nach Erbschaftsannahme, falls die objektive Gefahr besteht, dass nicht alle Nachlassverbindlichkeiten aus dem Nachlass erfüllt werden können (§ 1981 Abs. 2 BGB), |
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auch die Erbeserben sind berechtigt, nach § 1981 Abs. 1 BGB die Anordnung der Nachlassverwaltung zu beantragen, |
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der Testamentsvollstrecker (§ 317 Abs. 1 InsO analog), |
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der Erbschafts- oder Erbteilserwerber (§§ 2383 Abs. 1 S. 1, 1922 Abs. 2 BGB). |
Kein Antragsrecht hat der Nachlasspfleger, weil er weder für die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten noch für die Herbeiführung der Haftungsbeschränkung zuständig ist.
Der Rechtsanwalt als Bevollmächtigter des Erben (§ 10 FamFG) kann die Anordnung der Nachlassverwaltung beantragen, ebenso als Bevollmächtigter des Nachlassgläubigers oder des Testamentsvollstreckers.
Rz. 135
Zum Antragsrecht des Nachlassgläubigers:
Das Antragsrecht des Nachlassgläubigers ist gem. § 1981 Abs. 2 BGB zeitlich und sachlich eingeschränkt: Nur innerhalb von zwei Jahren seit Erbschaftsannahme kann er den Antrag stellen. Damit sollen Schwierigkeiten, die mit einer tatsächlichen Gütersonderung nach fortgeschrittener Zeit entstehen, vermieden werden. Außerdem bedarf der Nachlassgläubiger eines Gefährdungsgrundes, denn die Nachlassverwaltung nimmt dem Erben das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über den Nachlass und beinhaltet deshalb eine Einschränkung seiner rechtsgeschäftlichen Handlungsfreiheit. Die Rechte aller Gläubiger müssen objektiv gefährdet sein und nicht nur diejenigen des Antragstellers. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn der Erbe den Nachlass leichtfertig verschleudert, einzelne Gläubiger voreilig befriedigt oder dem Nachlass völlig gleichgültig gegenübersteht. Der antragstellende Gläubiger muss seine Forderung und die Gefährdung der Befriedigung aller Nachlassgläubiger gegenüber dem Nachlassgericht glaubhaft machen. Eine bestrittene Forderung reicht für einen Antrag nach § 1981 Abs. 2 BGB nicht aus.
c) Rechtswirkung der Eröffnung
Rz. 136
Nach Eröffnung der Nachlassverwaltung kann der Erbe die Nachlassgläubiger auf den Nachlass beschränken, § 1975 BGB, und so den Zugriff auf sein Eigenvermögen abwehren. Das ist gerechtfertigt, weil die Einschaltung des Nachlassverwalters die ordnungsgemäße Abwicklung des Nachlasses ausreichend sichert.
Nach Anordnung der Nachlassverwaltung kann der Eröffnungsantrag nicht mehr zurückgenommen werden.
Mit der Eröffnung der Nachlassverwaltung verliert der Erbe – und auch ein etwa bestellter Testamentsvollstrecker – die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände, § 1984 Abs. 1 S. 1 BGB, § 80 Ins...