Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
Rz. 193
Erhebt der Erbe die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB, so ist zu unterscheiden, ob er in der Lage ist, die Dürftigkeit des Nachlasses nachzuweisen oder nicht.
Kann der Erbe die Dürftigkeit nicht nachweisen, so muss das Prozessgericht die Frage, ob der Nachlass dürftig ist oder nicht, dahingestellt sein lassen. Damit wird die Frage der Haftungsbeschränkung in das Zwangsvollstreckungsverfahren verschoben. Dem Erben wird die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach § 780 ZPO vorbehalten.
Wenn der Gläubiger nunmehr in einen Gegenstand des Eigenvermögens des Erben vollstreckt, so kann dieser die Vollstreckungsgegenklage nach §§ 767, 781, 785 ZPO erheben und die Zwangsvollstreckung in diesen Gegenstand für unzulässig erklären lassen. Er muss dann allerdings nachweisen, dass der Nachlass dürftig ist und dass der gepfändete Gegenstand nicht zum Nachlass gehört.
Für den Nachweis der Dürftigkeit muss der Erbe nicht zwingend eine Ablehnung seiner Verfahrensanträge gemäß § 1982 BGB, § 26 InsO herbeiführen, sondern kann auch auf sonstige Weise darlegen (durch Inventarerrichtung, § 2009 BGB, durch Auskunft und eidesstattliche Versicherung, § 260 BGB, oder Vermögensauskunft, § 802c ZPO), dass es an einer kostendeckenden Masse fehlt. Wurde die Nachlassverwaltung mangels Masse aufgehoben (§ 1988 Abs. 2 BGB) oder das Nachlassinsolvenzverfahren mangels Masse eingestellt (§ 207 InsO), ist das Prozessgericht an diese Feststellungen gebunden.
Jetzt kann der Nachlassgläubiger (Kläger) nicht mehr Zahlung verlangen, sondern Duldung der Zwangsvollstreckung in den Nachlass (= Klageänderung, § 263 ZPO).
Rz. 194
Deshalb sollte der Nachlassgläubiger den Zahlungsantrag im Wege der Klageänderung umstellen auf einen Duldungsantrag:
Formulierungsbeispiel: Duldungsantrag bei Dürftigkeitseinrede
Der Beklagte wird verurteilt, wegen der Klagforderung die Zwangsvollstreckung in den Nachlass des am (...) verstorbenen (...) zu dulden.
Für den Fall, dass nicht sicher ist, ob die Dürftigkeit des Nachlasses nachgewiesen ist, ist zu empfehlen, den Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung als Hilfsantrag zu stellen.
Die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses ist im Berufungsverfahren auch dann zuzulassen, wenn die Dürftigkeit des Nachlasses streitig ist, sofern das Berufungsgericht den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung ausspricht, ohne dessen sachlich-rechtliche Voraussetzungen zu prüfen.
Sind die einzelnen Nachlassgegenstände bekannt, so können sie bei Nachweis der Dürftigkeit des Nachlasses bereits in das Urteil aufgenommen werden in der Weise, dass das Gericht die einzelnen Nachlassgegenstände aufzählt, in die der Erbe die Zwangsvollstreckung zu dulden hat. Damit wird ein späterer Rechtsstreit (Vollstreckungsgegenklage) vermieden, wenn der Nachlassgläubiger trotzdem in Vermögensgegenstände des Eigenvermögens des Erben vollstrecken sollte.
Ist der Nachlass für bekannte Gläubiger aufgebraucht und meldet sich ein weiterer, so kann diesem die Einrede entgegengehalten werden, dass der Nachlass erschöpft sei (Erschöpfungseinrede).