Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
Rz. 195
Hat der Erblasser die Überschuldung des Nachlasses durch Anordnung von Vermächtnissen und Auflagen selbst herbeigeführt, so erleichtert das Gesetz dem Erben die Möglichkeit seiner Haftungsbeschränkung auf den Nachlass. Das Gesetz unterstellt, der Erblasser habe trotz seiner Verfügungen die Nachlassinsolvenz oder die Nachlassverwaltung vermeiden wollen. Deshalb lässt das Gesetz auch in diesem Fall die Erhebung einer einfachen Einrede zur Herbeiführung der Haftungsbeschränkung ausreichen. Statt der Durchführung des Insolvenzverfahrens steht dem Erben das Recht zu, Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte nach den §§ 1990, 1991 BGB auf den vorhandenen Restnachlass zu verweisen oder eine Herausgabe der Nachlassgegenstände durch Zahlung des Wertes (im Sinne einer Abwendungsbefugnis) abzuwenden, § 1992 S. 2 BGB. Antrag des Erben im Prozess:
Formulierungsbeispiel: Abwendungsbefugnis bei Überschwerungseinrede
(...) dass ihm vorbehalten wird, die Vollstreckung in den Nachlass des am (...) verstorbenen (...) wegen des Vermächtnisses durch Zahlung des Wertes der Nachlassgegenstände in Höhe von (...) EUR abzuwenden.
Rz. 196
Zu einer Überschwerung des Nachlasses kann es in der Praxis dann kommen, wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ausreichend Vermögen hatte, um die von ihm angeordneten Vermächtnisse erfüllen zu können, wenn sich aber bis zum Erbfall seine Vermögenssituation so verändert hat, dass keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen.
Aus diesem Grund sollten Geldvermächtnisse nicht allein in Nominalbeträgen angeordnet werden, sondern mit einer maximalen prozentualen Höchstsumme versehen werden.
Formulierungsbeispiel: Geldvermächtnis mit prozentualer Höchstsumme
Dem (…) wende ich ein Geldvermächtnis in Höhe von (…) EUR zu, maximal jedoch x % meines dereinstigen Nettonachlasses. Der Nettonachlass wird entsprechend § 2311 BGB bestimmt.
Rz. 197
Dabei ist zu beachten, dass wegen der Überschuldung des Nachlasses durch Vermächtnisse und Auflagen ein Nachlassinsolvenzverfahren nicht beantragt werden kann, weil Vermächtnisse und Auflagen bei der Überprüfung der Überschuldung des Nachlasses nicht als Verbindlichkeiten mitberücksichtigt werden, § 1980 Abs. 1 S. 3 BGB.
Rz. 198
Ist der Erbe gleichzeitig Pflichtteilsberechtigter, so bleibt ihm auch die Möglichkeit, sich von der Erfüllung der Vermächtnisse und der Auflagen nach Maßgabe und unter den Voraussetzungen des § 2306 Abs. 1 BGB zu befreien (zu dieser Möglichkeit vgl. § 10 Rdn 392 ff.).