A. Straftaten im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsmessungen
Literatur zu Geschwindigkeitsmessungen: Beck/Löhle, Fehlerquellen bei polizeilichenMessverfahren, 12. Auflage 2018.
I. Allgemeines
Rz. 1
Hinweis: Kraftfahrzeugrennen werden unter § 41 Rdn 24 ff. behandelt.
Tipp: Konkurrenz
Werden dem Betroffenen mehrere Verstöße vorgeworfen, lohnt häufig eine intensivere Prüfung des Konkurrenzverhältnisses, vor allem auch deshalb, weil im Falle von Tateinheit (§ 19 OWiG) nur der am höchsten bewertete Verstoß bepunktet wird, bei Tatmehrheit (§ 20 OWiG) aber die Punkte, ebenso wie die Geldbußen (OLG Koblenz zfs 2007, 231; OLG Hamm NZV 2010, 159) der einzelnen Verstöße addiert werden. So können z.B. mehrere Geschwindigkeitsverstöße (OLG Hamm zfs 2009, 651; OLG Celle NZV 2012, 196) oder auch mehrere sonstige Verkehrsverstöße nur eine Tat im Rechtssinne sein (OLG Hamm DAR 2006, 338; OLG Stuttgart DAR 2007, 405; OLG Jena DAR 2010, 31; OLG Rostock VRS 107, 461).
Zu Konkurrenzen sowie Strafklageverbrauch siehe nachfolgend § 25.
II. "Anti-Blitz-Folie" oder Anbringen falscher Kennzeichen
Rz. 2
Der Streit zwischen dem OLG Düsseldorf (NZV 1997, 319), das im Überkleben der Buchstaben und Ziffern eines amtlichen Kennzeichens mit reflektierender Folie ("Anti-Blitz-Folie") den Tatbestand einer Urkundenfälschung i.S.d. § 267 StGB als erfüllt ansah, und dem BayObLG (DAR 1999, 175), das darin lediglich einen Kennzeichenmissbrauch sah, ist vom Bundesgerichtshof i.S.d. letztgenannten Auffassung entschieden worden (BGH zfs 2000, 36). Der BGH hat allerdings offen gelassen, ob nicht lediglich eine Ordnungswidrigkeit vorliegt.
Dagegen begeht der Täter, der falsche, mit einem Stempel der Zulassungsstelle versehene Kennzeichen an seinem Fahrzeug anbringt, anders als bei der Anbringung roter Kennzeichen (BGH bei Cierniak, DAR 2014, 684), eine Urkundenfälschung (BGHSt 34, 375).
Das Überkleben des Europakennzeichens auf einem amtlichen Kennzeichen soll dagegen lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellen (OLG München DAR 2019, 401).
III. Gegenblitzanlage
Rz. 3
Wer mit einer Gegenblitzanlage das bei einer Radarmessung geschossene Frontfoto für eine Täteridentifizierung unbrauchbar machen will, begeht keine Fälschung technischer Aufzeichnungen i.S.d. § 268 Abs. 3 StGB (LG Flensburg DAR 2000, 132), u.U. aber eine Sachbeschädigung (OLG München zfs 2006, 470).
IV. Beschädigung einer Messanlage
Rz. 4
Das OLG Stuttgart (DAR 1997, 288) sieht – gegen die wohl h.M. (BGHSt 31, 2) – in einer Geschwindigkeitsmessanlage keine eigenständig von § 316b Abs. 1 S. 3 StGB geschützte Anlage, sondern nur ein technisches Hilfsmittel der Bußgeldbehörde. Nach seiner Auffassung beschränkt sich der Schutzzweck des § 316b Abs. 1 StGB auf besonders wichtige Anlagen, wozu eine Geschwindigkeitsmessanlage nicht gehört, weshalb derjenige, der die Anlage beschädige (hier das Unbrauchbarmachen des zur Anlage gehörenden Fototeiles) nur wegen Sachbeschädigung belangt werden könne.
V. Behindernd abgestelltes Kfz
Rz. 5
Stellt ein Kraftfahrer sein Fahrzeug so vor den Sensor einer Geschwindigkeitsmessanlage ab, dass keine Messungen mehr möglich sind, liegt weder eine Nötigung der Messbeamten noch – jedenfalls bei mobilen Anlagen – eine Störung öffentlicher Betriebe gem. § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB vor (BGH DAR 2013, 475).
VI. Abschalten der Fahrzeugbeleuchtung
Rz. 6
Wer, während die Polizei bei Dunkelheit hinter ihm herfährt, die Fahrzeugbeleuchtung und damit auch die Kennzeichenbeleuchtung ausschaltet, um die Ablesbarkeit des hinteren Kennzeichens zu vereiteln, macht sich eines Kennzeichenmissbrauchs nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG strafbar (OLG Stuttgart DAR 2011, 542).
B. Warnung vor Geschwindigkeitsmessungen
Literatur zur Warnung vor Geschwindigkeitsmessungen: Albrecht, Radarwarngeräte und andere verbotene Geräte zur Ankündigung von Verkehrskontrollen, DAR 2006, 481; Thiele, Radarwarnung durch neue Technik, NZV 2006, 660.
I. Radarwarngerät bzw. Fahrzeugsoftware
1. Radarwarngeräte
Rz. 7
Mit der Einführung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) ist das Fernmeldegesetz mit seinen damaligen Strafvorschriften (§ 15 FAG; BGH NJW 1981, 831) weggefallen. Seitdem ist der Betrieb eines Radarwarngerätes nicht mehr strafbar, auch nicht nach § 95 TKG, wie das LG Berlin (DAR 1997, 501) oder das LG Cottbus (DAR 1999, 466) zu Unrecht meinen, denn der Betrieb eines Radarwarngerätes erfüllt nicht das Tatbestandsmerkmal des Abhörens.
Rz. 8
Achtung: Ordnungswidrigkeit
Der Gesetzgeber hat die entstandene Lücke mit der Schaffung des § 23 Abs. 1b StVO zumindest insoweit geschlossen, als der Betrieb von Radarwarnern und ähnlichen Geräten jetzt wenigstens als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann. Ein Verstoß wird mit einem Bußgeld von 75 EUR und dem Eintrag von einem Punkt in Flensburg geahndet.
Rz. 9
Die Polizei konnte aber ein solches Gerät schon vor Einführung des Bußgeldtatbestandes aus polizeirechtlichen Gesichtspunkten einziehen und zerstören (VG Schleswig NZV 2000, 103; VG Berlin DAR 2000, 282), wobei der VGH München (NJW 2008, 1549; NZV 2008, 375) ausdrücklich darauf hinweist, dass hierfür nicht Voraussetzung ist, dass das Gerät auch betriebsbereit war.
Ein Kaufvertrag über ein solches Warngerät ist übrigens sittenwidrig und damit nichtig (BGH DAR 2005, 330) und berechtigt auch bei einem nach dem Fernabsatzgesetz zu beurteilenden Vertrag zum Widerruf gem. § 312b Abs. 1 S....