Rz. 16
Der Handelsvertretervertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag nach §§ 611, 675 BGB. Die Vorschriften des BGB sind jedoch weitgehend durch die Spezialregeln des HGB zurückgedrängt.
a) Zustandekommen
Rz. 17
Für das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrages gelten die allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen des BGB. Der Handelsvertretervertrag ist formfrei; er kann auch stillschweigend durch schlüssige Handlung zustande kommen, z.B. durch wiederholte Geschäftsvermittlung durch den Handelsvertreter und Abschluss der so vermittelten Geschäfte durch den Unternehmer, aber auch durch erstmalige Annahme der Dienste des Handelsvertreters durch den Unternehmer mit der Maßgabe, dies auch künftig für eine unbestimmte Vielzahl von Geschäften zu tun. Jeder Vertragsteil kann jedoch zur Rechtsklarheit die Aufnahme des Vertragsinhalts in eine Urkunde nach § 85 HGB verlangen.
b) Allgemeine Geschäftsbedingungen, § 138 BGB, Kartellrecht
Rz. 18
Die Vertragspartner können den Handelsvertretervertrag von den Vorschriften des BGB und HGB abweichend gestalten, soweit die §§ 84 ff. HGB keine zwingenden Vorschriften enthalten. Grenzen setzen im Falle eines Formularvertrages die Inhaltskontrollen nach §§ 307 ff. BGB, wobei §§ 308 f. BGB nicht unmittelbar gelten.
Zu beachten ist ferner § 138 BGB: Unwirksam sind z.B. die Vereinbarung einer übermäßigen, durch Recht zur fristlosen Kündigung gesicherten Abnahmegarantie des Handelsvertreters sowie Bedingungen, nach denen der Handelsvertreter bei gewissenhaftester Geschäftsführung in keinem Fall einen Gewinn herauswirtschaften kann. Wirksam ist dagegen eine Vereinbarung, wonach der Vertrag das Existenzminimum nicht sichert, wenn zugleich weitere Vertretertätigkeiten gestattet sind.
Der Unternehmer ist in der Lage, durch die Auswahl der Handelsvertreter, die Zuweisung von Absatzgebieten oder die Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Preise und Konditionen beim Abschluss des Kundengeschäfts gezielt auf die Marktverhältnisse Einfluss zu nehmen. Dies ist kartellrechtlich nicht immer unproblematisch. Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die sich auf Preise und Konditionen in Kundenverträgen beziehen oder einem Vertragspartner ein (nachvertragliches) Wettbewerbsverbot auferlegen (Vertikalvereinbarungen), fallen zwar dem Wortlaut nach unter das Kartellverbot des Art. 101 AEUV/§ 1 GWB, da sie jeweils wettbewerbsbeschränkend wirken. Zusätzlich muss die Wettbewerbsbeschränkung jedoch spürbar sein (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Art. 101 AEUV und des § 1 GWB), was sich maßgeblich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Dabei können sowohl qualitative Kriterien (Finanzkraft der beteiligten Unternehmen, kumulative Marktabschottung durch parallele Vertragsnetze) als auch quantitative Kriterien (Marktanteile der beteiligten Unternehmen) von Bedeutung sein.
Derartige Verträge können jedoch vom Kartellverbot freigestellt sein, entweder durch eine Gruppenfreistellung (Art. 101 Abs. 3 AEUV; § 2 Abs. 2 GWB) oder eine Einzelfreistellung (Art. 101 Abs. 3 AEUV; § 2 Abs. 1 GWB). Soweit nicht die Spezialregelungen zum Kraftfahrzeugsektor gem. Kfz-GVO (VO (EU) NR. 461/2010) greifen, fallen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen in Absatzmittlerverträgen grundsätzlich in den Anwendungsbereich der VO (EU) Nr. 330/2010 (sog. Schirm-GVO). Danach sind Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen zwischen zwei oder mehreren Unternehmen, die auf unterschiedlichen Produktions- oder Vertriebsstufen tätig sind, vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV freigestellt (Art. 2 Abs. 1 VO (EU) Nr. 330/2010). Allerdings sind von dieser Freistellung vertikaler Vereinbarungen solche Abreden ausgenommen, die
▪ |
bezwecken, den gebundenen Vertragspartner darin zu beschränken, seine Verkaufspreise selbst festzusetzen (Art. 4 lit. a VO (EU) Nr. 330/2010), |
▪ |
bestimmte Verkaufsgebiets- und Kundenkreisbeschränkungen (Art. 4 lit. b VO (EU) Nr. 330/2010) sowie |
▪ |
vertragliche und nachvertragliche Wettbewerbsverbote, soweit diese bestimmte Vorgaben nicht beachten (Art. 5 VO (EU) Nr. 330/2010), enthalten. |
Entscheidend kommt es allerdings auf die weitere Vorfrage an, ob die jeweilige Abrede überhaupt als wettbewerbseinschränkend einzustufen ist. Danach sind Abreden zwischen Unternehmer und Handelsvertreter als wettbewerbsbeschränkend anzusehen, wenn sie über das nach dem gesetzlichen Leitbild des Handelsvertreterverhältnisses und für dessen Funktionsfähigkeit erforderliche Mindestmaß hinausgehen. Trägt der Handelsvertreter aus den vermittelten Geschäften kein wesentliches wirtschaftliches Risiko, so liegt ein "echtes" Handelsvertreterverhältnis vor mit der Folge, dass Weisungen und andere Vorgaben hinsichtlich der vermittelten Geschäfte bereits tatbestandlich keine Wettbewerbsbeschränku...