Rz. 19
Die Pflichten des Handelsvertreters ergeben sich aus dem Vertrag und dem Gesetz, wobei im Falle einer Handelsvertreter-GmbH oder AG die Pflichten die juristische Person als solche treffen. Der Handelsvertreter hat seine vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten nach § 86 Abs. 3 HGB mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen. Welche Sorgfaltsanforderungen im Einzelfall gelten, richtet sich nach den jeweiligen Pflichten des Handelsvertreters. Allgemein gilt, dass die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Handelsvertreters in dem Maße steigen, in dem sich das geschäftliche Risiko des Unternehmers durch die Tätigkeit des Handelsvertreters erkennbar erhöht.
a) Vermittlungs-/Abschlusspflicht
Rz. 20
§ 86 HGB beinhaltet die Hauptpflichten des Handelsvertreters, die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften. Der Handelsvertreter ist zwar nicht verpflichtet, so viele Abschlüsse hereinzuholen, wie es ihm bei größter Anstrengung möglich wäre. Er muss aber nach einer Anlaufphase angemessene Umsätze erzielen. Möglich sind vertraglich vereinbarte Umsatzgarantien mit der Folge eines Schadensersatzanspruches bei Nichterreichen dieses Umsatzes, ein nur verminderter Provisionsanspruch oder auch das Recht zur außerordentlichen Kündigung. Verträge mit diesbezüglichen AGB können rechtlich problematisch sein.
b) Interessenwahrungspflicht
Rz. 21
Die allgemeine Interessenwahrungspflicht ist für den Handelsvertretervertrag wesensbestimmend und zwingend und beherrscht das gesamte Vertragsverhältnis. Sie erstreckt sich entgegen dem Wortlaut nicht nur auf die Vermittlung und den Abschluss, sondern generell auf die Tätigkeit des Handelsvertreters, z.B. auf die Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen des Unternehmers außerhalb seiner Vermittlungstätigkeit und nach Vertragsende oder auf die Kundenbetreuung nach Abschluss. Der Handelsvertreter ist Interessenwahrer des Unternehmers, nicht unparteiischer Makler zwischen beiden Teilen des abschließenden Geschäfts. Weisungen des Unternehmers muss der Handelsvertreter als dessen Interessenwahrer grundsätzlich befolgen, solange die Selbstständigkeit des Handelsvertreters durch die Weisung nicht im Kern angetastet wird. Aufgrund seiner Loyalität muss der Handelsvertreter Nachteile vom Unternehmer abwenden.
c) Wettbewerbsverbot
Rz. 22
Während des Vertrages gilt das Wettbewerbsverbot ohne besondere Vereinbarung, eine solche kann vertraglich bis zu den kartellrechtlichen Grenzen erweitert werden. Ein Wettbewerbsverbot nach Vertragsende bedarf dagegen einer besonders geregelten Wettbewerbsabrede nach § 90a HGB. Unterliegt der Handelsvertreter keinem nachträglichen Wettbewerbsverbot, ist er frei, dem Unternehmer, für den er bisher tätig war, auch in dem Bereich Konkurrenz zu machen, in dem er ihn vorher vertreten hat. Das Wettbewerbsverbot gilt nur für Leistungen und Waren die konkurrieren, weshalb eine Abgrenzung danach erfolgt, ob die Kundenklientel die in Streit stehenden Waren als austauschbar empfindet. Der Mehrfirmenvertreter schuldet jedem seiner Unternehmer Interessenwahrung. Dabei kann es zu schwierigen Interessenkonflikten kommen. Die Aufnahme einer Konkurrenzvertretung bedarf deshalb der Zustimmung von allen Unternehmern. Deshalb kann in solchen Fällen der Handelsvertreter nicht vertraglich verpflichtet werden, jedes neue Produkt des Unternehmers zu vertreiben. Wettbewerbsverstöße können vorliegen, wenn aus objektiver Sicht der Anschein einer unzulässigen Wettbewerbstätigkeit entsteht. Allgemein gilt, dass die Übernahme der Vertretung eines Konkurrenten bereits einen Verstoß darstellt, nicht bereits die reine Kontaktaufnahme. Hat der Handelsvertreter ein während der Laufzeit des Handelsvertretervertrags bestehendes Wettbewerbsverbot verletzt, kann dem Unternehmer zur Vorbereitung des Anspruchs auf Ersatz des entgangenen Gewinns ein Anspruch nach § 242 BGB gegen den Handelsvertreter auf Auskunft über die verbotswidrig für Konkurrenzunternehmen vermittelten Geschäfte zustehen, da der verbotswidrig für Konkurrenzunternehmen vermittelte Umsatz als Grundlage einer Schadensschätzung nach § 287 ZPO dient.