1. Wesen und Form
Rz. 77
Ihrem Wesen nach ist die Delkrederehaftung eine Bürgschaft, denn der Handelsvertreter verpflichtet sich durch die Übernahme des Delkredere wie ein Bürge für die Erfüllung der Verbindlichkeiten eines Dritten gegenüber dem Unternehmer einzustehen; ebenso wie die Bürgschaft erfordert die Delkrederehaftung einen Vertrag zwischen dem vertretenen Unternehmer und dem Handelsvertreter, der nach § 86b Abs. 1 S. 3 HGB der Schriftform bedarf. Die Einschränkung oder Aufhebung der Delkrederevereinbarung ist hiergegen formlos möglich. Der Handelsvertreter hat die Einreden aus §§ 768, 770, 771 ff. BGB, solange dies nicht wegen der Kaufmannseigenschaft ausgeschlossen ist.
2. Umfang
Rz. 78
Der Umfang der Haftung richtet sich nach den Verbindlichkeiten des Kunden gegenüber dem vertretenen Unternehmer. Eine Haftung gegenüber einem Dritten besteht nicht. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Bestimmtheitsgebot. Erforderlich sind eine eindeutige Konkretisierbarkeit und die Abgrenzung des betreffenden Geschäfts von weiteren. Eine Delkrederehaftung für mehrere Geschäfte zu übernehmen ist nur möglich, wenn die Geschäfte, auf die sich die Verpflichtung des Handelsvertreters bezieht, eindeutig bestimmt und voneinander abgrenzbar sind. Die Delkrederehaftung kann bereits vor dem Geschäftsabschluss übernommen werden.
Rz. 79
Eine Lockerung des Bestimmtheitsgebotes ist im Gesetz für den Fall vorgesehen, dass der Handelsvertreter zum Abschluss und zur Ausführung von Geschäften unbeschränkt bevollmächtigt ist, § 86b Abs. 3 S. 2 HGB. In diesen Fällen ist die formlose Übernahme der Delkrederehaftung für die Erfüllung der Verbindlichkeiten aus unbestimmten Geschäften wirksam, ohne dass es auf die Bestimmbarkeit des Dritten oder die mitursächliche Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit des Handelsvertreters ankommt. Dass er diese Vollmachten auch tatsächlich ausübt, ist allerdings nicht erforderlich. Schließlich gilt § 86b Abs. 1 HGB nicht für ausländische Unternehmer, die Niederlassung oder Wohnsitz im Ausland haben.
3. Provisionsanspruch
Rz. 80
Der Anspruch auf Delkredereprovision für die Übernahme des Delkredere entsteht mit dem Abschluss des Geschäfts, auf das sich die Delkrederehaftung bezieht. Gleichzeitig mit der Entstehung wird der Anspruch auf die Delkredereprovision fällig. Die Höhe der Delkredereprovision bedarf vertraglicher Vereinbarung zwischen den Parteien. Bei der Festlegung muss dem Umfang des Risikos Rechnung getragen werden, das sich aus der Übernahme der Delkrederehaftung für den Handelsvertreter ergibt. Fehlt es an einer Vereinbarung, bemisst sich die Höhe der Provision nach den üblichen Sätzen, wie dies auch für die dem Handelsvertreter geschuldeten anderen Provisionen in § 87b Abs. 1 HGB vorgeschrieben ist.
Rz. 81
Bei der Delkrederehaftung handelt es sich grundsätzlich um den geschuldeten Kaufpreis. Ändert sich der Rechtsgrund der Verbindlichkeit des Dritten – z.B. aus der Kaufpreisverpflichtung wird aufgrund einer Vertragsverletzung eine Schadensersatzverpflichtung oder ein bereicherungsrechtlicher Anspruch –, berührt dies die Delkrederehaftung des Handelsvertreters nicht. Unter Verbindlichkeit i.S.d. § 86b HGB ist mithin nicht nur die kraft Vertrages geschuldete Leistung zu verstehen, sondern auch die kraft Gesetzes wegen einer Vertragsverletzung oder wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten dem Kunden obliegenden Verbindlichkeiten. Danach richtet sich auch der Provisionsanspruch.
4. Abdingbarkeit
Rz. 82
Der Anspruch auf Delkredereprovision kann nach § 86b Abs. 1 S. 1 Hs. 2 HGB nicht im Voraus ausgeschlossen werden. Möglich ist jedoch eine Verzichtserklärung nach Entstehung des Anspruchs. Eine Ausnahme zum Schriftformerfordernis regelt der Abs. 3.