Rz. 95
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen eines Betriebsübergangs vor, geht das Arbeitsverhältnis mit allen individualrechtlichen Rechten und Pflichten auf das Joint Venture über. Das betrifft nicht nur den Inhalt des Arbeitsvertrages, sondern insb. auch Ansprüche, die durch betriebliche Übung oder Gesamtzusage des einbringenden Partners begründet wurden. Gem. § 613a Abs. 2 BGB haftet der Veräußerer im Außenverhältnis neben dem neuen Betriebsinhaber als Gesamtschuldner für solche Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr ab diesem Zeitpunkt fällig werden, jedoch begrenzt auf den Umfang, der dem im Zeitpunkt des Betriebsübergangs angelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht. Das Innenverhältnis zwischen Erwerber (dem Joint Venture) und dem Veräußerer (dem Joint Venture-Partner) ist selbstverständlich frei gestaltbar.
Rz. 96
Wurden Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis durch kollektivvertragliche Normen (Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) gestaltet, sind verschiedene Fälle zu unterscheiden:
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der Kollektivvertrag gilt als solcher fort, |
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der Kollektivvertrag wird gem. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB durch einen beim Betriebserwerber geltenden Kollektivvertrag abgelöst oder |
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der Kollektivvertrag wird in seiner derzeitigen Fassung gem. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses, gleichsam "individualisiert" unter Aufrechterhaltung des kollektivrechtlichen Normcharakters. |
Im letzten Fall dürfen die kollektivvertraglichen Normen vor Ablauf eines Jahres grds. nicht geändert werden. Über § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB hinaus sieht auch § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB hiervon Ausnahmen vor. Die statische Weitergeltung stellt ohnehin nur eine Auffangvorschrift zugunsten der Arbeitnehmer dar, falls der neue Arbeitgeber kollektivvertraglich nicht oder anders gebunden ist. Nicht abschließend geklärt ist, ob die gesetzliche Regelung zur Tarifeinheit in § 4a Abs. 2 TVG zusätzliche Ablösungsmöglichkeiten oder -risiken bewirkt.
a) Betriebsvereinbarungen
Rz. 97
Einzelbetriebsvereinbarungen gelten bei einem Betriebsübergang kollektivvertraglich nur dann fort, wenn die Identität des Betriebes gewahrt bleibt. Für ein Joint Venture können sich aus diesem Grundsatz ganz unterschiedliche Konstellationen ergeben, abhängig davon, ob im Rahmen des Betriebsübergangs zwei Betriebe zu einem neuen einheitlichen Betrieb zusammengelegt werden oder ein Betrieb (oder Betriebsteil) in einen anderen Betrieb (mit oder ohne Betriebsrat) eingegliedert bzw. ein Betriebsteil als selbstständiger Betrieb fortgeführt wird. Einzelheiten können hier nicht ausgeführt werden.
Rz. 98
Eine kollektivrechtliche Fortgeltung von Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen wird in der Literatur überwiegend abgelehnt. Demgegenüber nimmt das BAG an, dass zumindest eine Gesamtbetriebsvereinbarung in einem übertragenen Betrieb als Einzelbetriebsvereinbarung in Kraft bleibt, wenn die Identität dieses Betriebes (im Gegensatz zur Konzern- bzw. Unternehmensidentität) gewahrt ist. Bei einer Konzernbetriebsvereinbarung stellt sich die Frage der Fortgeltung ohnehin nur, wenn das Joint Venture nicht dem Konzern des betriebsveräußernden Partners zuzurechnen ist (zur Geltung von Konzernbetriebsvereinbarungen im Joint Venture s.u. Rdn 103 f.).
b) Tarifverträge
Rz. 99
Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen ein Tarifvertrag bei dem Betriebsübernehmer weiterhin Geltung hat. Bei einem Firmentarifvertrag setzt dies eine Gesamtrechtsnachfolge (Beispiel Verschmelzung) voraus, der Betriebsübergang alleine genügt nicht. So muss nach neuerer Rspr. in einem Spaltungsvertrag festgelegt werden, welcher der beteiligten Rechtsträger in die Stellung der Vertragspartei eines Firmentarifvertrags eintritt. Ohne Gesamtrechtsnachfolge geht ein für das aufnehmende Unternehmen verbindlicher (Firmen- oder Verbands-)Tarifvertrag vor, sofern er mit derselben Gewerkschaft abgeschlossen wurde, die auch den für den Veräußerer gültigen Tarifvertrag abgeschlossen hatte (§ 613a Abs. 1 Satz 3 BGB). Ein Verbandstarifvertrag gilt fort, wenn entweder das Joint Venture in dem vertragsschließenden Arbeitgeberverband Mitglied ist oder der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt oder per Rechtsverordnung nach dem AEntG auf das Joint Venture erstreckt wurde.
Sowohl beim Firmen- als auch beim Verbandstarifvertrag ist für eine Fortgeltung stets erforderlich, dass der Tarifvertrag auch nach dem Betriebsübergang noch räumlich und fachlich einschlägig ist. Fehlt eine der genannten Voraussetzungen, gelten die Tarifvertragsnormen nur noch als Inhalt des Arbeitsverhältnisses fort (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB). Im Übrigen darf der Tarifvertrag nicht als Minderheitstarifvertrag nach § 4a Abs. 2 TVG verdrängt sein.