Rz. 44
Kernaufgabe bei der Gestaltung eines paritätischen Joint Ventures ist die Überwindung von Pattsituationen, in denen sich die mit gleichen Stimmen ausgestatteten Partner in einer Frage gegenseitig blockieren. Je nach Gewicht der streitigen Frage kann das Joint Venture in seiner Handlungsfähigkeit schwerwiegend beeinträchtigt sein. Die Praxis hat hierzu unterschiedliche Lösungskonzepte entwickelt, die sich z.T. auch kombinieren lassen.
Rz. 45
Häufig können strukturierte Verhandlungen den Weg zu einer Einigung weisen. So ist in vielen Fällen ein Eskalationsverfahren hilfreich. Können sich die Vertreter der Joint Venture-Partner in der Geschäftsführungs- bzw. der Gesellschafterversammlung nicht einigen, wird die Frage den nächsthöheren Hierarchie-Ebenen der Partner und letztlich den jeweiligen Geschäftsführern bzw. Vorständen vorgelegt. Die Idee dahinter ist, dass das Problem von einer höheren Warte aus betrachtet "kleiner" werden und damit leichter zu lösen sein kann. Die Eskalation schafft zugleich einen Anreiz für die unmittelbar Verantwortlichen, den Konflikt ohne Zuhilfenahme ihrer Vorgesetzten zu lösen. Können sich die Partner auch nach der Eskalation nicht einigen, kann ein Mediationsverfahren hilfreich sein.
Rz. 46
Alsdann gibt es mehrere Möglichkeiten, eine Entscheidung herbeizuführen. So kann einer Seite ein Letztentscheidungsrecht zugesprochen werden. Welche Seite dies ist, kann entweder durch Los bestimmt werden, oder es wechselt zwischen den Partnern nach Zeitabschnitten, Zuständigkeitsfeldern oder in der Form, dass einmal der eine und das nächste Mal der andere entscheidet.
Hinweis
Die letzte Möglichkeit kann allerdings zur Manipulation einladen: Ein Partner blockiert willkürlich eine nachrangige Entscheidung, bei der dem anderen Partner das Letztentscheidungsrecht zusteht, um sich dieses Recht für eine anstehende Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu sichern.
Rz. 47
Ferner kann man die Entscheidung externalisieren, etwa indem man sie einem Schiedsrichter, Schlichter oder sonstigen neutralen Dritten zuweist. Diese Lösung liegt aus juristischer Sicht nahe, hat aber auch Nachteile. Zum einen vergeht häufig viel Zeit, bis der Externe angerufen wird und schließlich entscheidet. Zum anderen kann der Prozess zu einer Vertiefung des Konflikts führen, weil er die Partner in Sieger und Verlierer teilt.
Rz. 48
Als ultima ratio kann man die Blockade mit einer Auflösung des Joint Ventures verknüpfen, etwa indem ein Partner den anderen auskauft (z.B. auf der Grundlage von Russian-Roulette- oder Texan-Shoot-out-Klauseln, s. dazu unter Rdn 72 ff. und 59 ff. insgesamt zu Beendigungsmechanismen). Die Klauseln sollen in erster Linie abschreckend wirken. Die Sorge, dass ein partieller Konflikt in einen Bieterprozess mündet und damit eine erfolgreiche Zusammenarbeit grds. infrage stellt, soll die Einigungsbereitschaft der Partner fördern. In der Radikalität der Lösung zeigt sich aber auch ihre Missbrauchsanfälligkeit. So könnte der wirtschaftlich stärkere Partner bspw. Entscheidungen bewusst blockieren, um eine Gelegenheit zu erhalten, das Joint Venture komplett zu übernehmen.
Hinweis
Für manche Punkte lassen sich Kompromisslinien bereits im Joint Venture-Vertrag anlegen. Können sich die Partner nicht über das Budget für das kommende Geschäftsjahr einigen, kann der Vertrag vorsehen, dass das Budget des abgelaufenen Jahres fortgilt; besteht Uneinigkeit über die Gewinnverwendung, wird der Gewinn zur Hälfte ausgeschüttet und zur Hälfte thesauriert; etc. Zudem kommt es entscheidend darauf an, wie ein Antrag lautet, der die Zustimmung beider Partner braucht: Müssen die Gesellschafter einer bestimmten Maßnahme zustimmen (also beide dafür sein, damit sie getroffen werden kann) oder können sie die Geschäftsführung lediglich überstimmen (was Einigkeit gegen die Maßnahme voraussetzt)?