Rz. 85
Neben der Zusammenschlusskontrolle ist bei der Gründung und Ausgestaltung des Joint Ventures auch das Kartellverbot zu beachten, und zwar fortlaufend. Die Muttergesellschaften können über das Joint Venture den Einsatz ihrer zusammengelegten Ressourcen abstimmen und dies dazu nutzen, ihr Wettbewerbsverhalten in unzulässiger Weise zu koordinieren. Das Kartellverbot ist schließlich auch für typische Begleitabsprachen eines Joint Ventures wie etwa Wettbewerbsverbote, Lizenzvereinbarungen oder Bezugs- und Lieferverpflichtungen relevant. So sind etwa Wettbewerbsverbote zwischen den Gründerunternehmen und dem Joint Venture kartellrechtlich nur unbedenklich, wenn sie in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht auf das notwendige Maß beschränkt sind.
1. Inhalt des Kartellverbotes
Rz. 86
Das Kartellverbot verbietet alle wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen oder Verhaltensweisen (Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB). Bei einem Joint Venture, das zugleich der Zusammenschlusskontrolle unterliegt, kommt es insb. darauf an, ob die Gründung des Joint Ventures zu einer Koordinierung des Marktverhaltens der Joint Venture-Partner führt (sog. Gruppeneffekt). Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn die Partner auf dem Markt des Joint Ventures in nennenswertem Umfang tätig sind. Davon zu trennen ist die Frage sonstiger wettbewerbsbeschränkender begleitender Vereinbarungen (z.B. Wettbewerbsverbote). Ein Verstoß gegen das Kartellverbot kann zur Nichtigkeit der Joint Venture-Vereinbarung führen; zudem können Bußgelder verhängt werden.
Erfasst werden allerdings nur spürbare Wettbewerbsbeschränkungen. Eine Vereinbarung zwischen Wettbewerbern beschränkt den Wettbewerb i.d.R. dann nicht spürbar, wenn ihre Marktanteile auf dem betroffenen Markt zusammengerechnet 10 % nicht überschreiten. Bei Unternehmen, die nicht Wettbewerber sind, liegt die Marktanteilsschwelle bei 15 %. Sog. Hardcore-Vereinbarungen (bei Wettbewerbern z.B. Preisabsprachen) beschränken den Wettbewerb jedoch stets spürbar, ohne dass es auf Marktanteile ankäme.
Rz. 87
Eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung kann ausnahmsweise vom Kartellverbot freigestellt sein (Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. §§ 2 und 3 GWB), insb. wenn sie Effizienzgewinne ermöglicht, an denen die Verbraucher angemessen beteiligt werden. Die Freistellung gilt kraft Gesetzes, ohne dass es einer behördlichen Entscheidung bedarf. Die Parteien müssen selbst einschätzen, ob die Voraussetzungen für eine Freistellung erfüllt sind.
Für bestimmte, häufig auftretende Formen der Zusammenarbeit wie z.B. Einkaufskooperationen, Vertriebs-Joint Ventures oder Produktionsgemeinschaften hat die EU-Kommission Leitlinien veröffentlicht, die erläutern, in welchen Fällen die Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern kartellrechtlich zulässig ist.
2. Kartellverbot und Zusammenschlusskontrolle
Rz. 88
Ein Joint Venture ist ausschließlich anhand des Kartellverbotes zu beurteilen, wenn es nicht nach den §§ 35 ff. GWB oder der FKVO anmeldepflichtig ist.
Ist ein Joint Venture als Zusammenschluss beim Bundeskartellamt anzumelden, ist die Joint Venture-Vereinbarung zusätzlich anhand des Kartellverbotes zu überprüfen (Grundsatz der Doppelkontrolle). Die Beteiligten müssen dennoch selbst prüfen, ob ein Verstoß gegen das Kartellverbot vorliegt. Die Freigabeentscheidung im Fusionskontrollverfahren schließt nämlich grds. keine Unbedenklichkeitsbescheinigung hinsichtlich des Kartellverbotes ein. Einen Verstoß gegen das Kartellverbot kann das Bundeskartellamt auch in einem separaten, späteren Verfahren prüfen.
Anders als bei einer Anmeldung beim Bundeskartellamt entscheidet die Kommission gleichzeitig über die Freigabe des Zusammenschlusses und über eine mögliche Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 AEUV (vgl. Art. 2 Abs. 4 FKVO). Die Verfahrensfristen des Art. 10 FKVO gelten somit nicht nur für die Beurteilung des Zusammenschlussvorhabens durch die Kommission, sondern auch für die endgültige Entscheidung über ein koordinierendes Verhalten der Joint Venture-Partner i.S.d. Art. 2 Abs. 4 und Abs. 5 FKVO i.V.m. Art. 101 AEUV.