Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 52
Ist dies nicht geschehen, so ist umstritten, wie sich die konkurrierende Vollmacht zur Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers verhält. Richtigerweise ist die Frage vorrangig durch Auslegung der entsprechenden Erklärungen des Erblassers (Bevollmächtigung und letztwillige Anordnung zur Testamentsvollstreckung) zu klären. Denn auf diese Art mag sich schließlich doch eine entsprechend stillschweigend oder konkludent angeordnete gestaltende Anordnung des Erblassers ergeben. Auf diese Weise mag im Einzelfall – wie im Fall des OLG München – davon auszugehen sein, dass der Erblasser bzw. Vollmachtgeber keine widersprüchliche Verwaltung seines Vermögens wollte, sondern gewisse – schuldrechtliche oder auch dinglich wirkende – Einschränkungen für die Ausübung der Testamentsvollstreckung und der Vollmacht wollte. Voraussetzung ist allerdings, dass der Erblasser einen entsprechenden Testierwillen hatte und die Formvorschrift des § 2197 Abs. 1 BGB ("durch Testament") eingehalten hat. Nur dann kann er Befugnisse des Testamentsvollstreckers nach § 2208 BGB (dinglich) und § 2216 Abs. 2 BGB (schuldrechtlich) einschränken. Hierfür müssen aber hinreichende Anhaltspunkte vorgefunden werden. Die Auslegung kann umgekehrt auch ergeben, dass der bevollmächtigte Erbe zum Mitvollstrecker gem. § 2224 BGB ernannt wurde.
Rz. 53
Was aber gilt, wenn auch über eine (ergänzende) Auslegung keine Anordnung des Erblassers gefunden werden kann? Reimann und Dutta gehen in diesem Fall von einem Vorrang der Testamentsvollstreckung aus, weil der Testamentsvollstrecker seine Rechtsmacht vom Erblasser ableitet, der Bevollmächtigte hingegen postmortal von dem nach §§ 2205, 2211 BGB verfügungsbeschränkten Erben. Die Wirkung der Vollmacht werde durch die Rechte des Testamentsvollstreckers eingeschränkt, sobald dieser das Amt angenommen hat (§ 2202 BGB), da der Testamentsvollstrecker ab diesem Zeitpunkt den Nachlass in Besitz zu nehmen und zu verwalten habe und darüber verfügen könne (§ 2205 BGB), die Erben hingegen nicht (§ 2211 BGB). Nur der Testamentsvollstrecker kann Nachlassrechte gerichtlich geltend machen (§ 2212 BGB). Auch Zimmermann geht – zumindest dann, wenn nicht ein Dritter, sondern der Erbe bevollmächtigt ist – davon aus, dass der bevollmächtige Erbe durch die Testamentsvollstreckung eingeschränkt ist, es sei denn, der Bevollmächtigung kann der Wille des Erblassers entnommen werden, dass die Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers eingeschränkt werden soll.
Vor allem die Rechtsprechung geht hingegen überwiegend von einem generellen Nebeneinander von Vollmacht und Testamentsvollstreckung aus. Dies scheint mir richtig. Hat der Erblasser nichts anderes angeordnet, so bestehen beide Rechtsinstitute nebeneinander nach den für sie geltenden Regeln, d.h. sowohl der Bevollmächtigte als auch der Testamentsvollstrecker können in Bezug auf den Nachlass die Erben berechtigen und verpflichten. Etwas anderes ist auch nicht notwendig, denn die Testamentsvollstreckung kann sich durchsetzen. Zum einen ist der Testamentsvollstrecker, weil verwaltungsbefugt, in der Lage, dem Bevollmächtigten i.R.d. der Vollmacht zugrunde liegenden Kausalverhältnisses Weisungen zu erteilen. Zum anderen kann der Testamentsvollstrecker die Vollmacht – so sie nicht ausnahmsweise unwiderruflich ausgestaltet ist – widerrufen.