Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
a) Grundstücke im Nachlass
Rz. 40
Das Gesetz sieht eine Eintragung der Nachlassverwaltung in das Grundbuch nicht vor. Unterbliebe eine solche Eintragung, könnte ein Dritter gutgläubig Eigentum am Grundstück erwerben. Dies steht im Widerspruch zu der als Folge der Nachlassverwaltung gemäß § 1984 BGB eintretenden Verfügungsbeschränkung des Erben. Die Literatur geht deshalb davon aus, dass eine Eintragung der Nachlassverwaltung im Grundbuch erfolgen muss, um Nachteile für die Nachlassgläubiger zu verhindern. Die Eintragung ist durch den Nachlassverwalter vorzunehmen, insoweit besteht Vergleichbarkeit zur entsprechenden Verpflichtung des Testamentsvollstreckers.
b) Vermögensanlagen
Rz. 41
Die Anlage von Geldern durch den Nachlassverwalter wird in Rechtsprechung und Schrifttum praktisch nicht diskutiert. Die sachgerechte Lösung muss daher durch Rückgriff auf die Grundsätze zur Anlageentscheidung durch Testamentsvollstrecker gefunden werden, wobei die Besonderheiten der Nachlassverwaltung zu berücksichtigen sind.
Rz. 42
Bei der Anlage von Geldern wird einem Testamentsvollstrecker von der Rechtsprechung ein Ermessensspielraum eingeräumt. Er darf sich nicht mit einem nur mäßigen Erfolg seiner Tätigkeit begnügen, sondern muss Möglichkeiten zu besserem Erfolg wahrnehmen (wie ein "dynamischer Geschäftsführer"). Ihm sind nur solche Anlagen verwehrt, die nach Lage des Falles den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung zuwiderlaufen. Es wird nicht als ermessensfehlerhaft angesehen, wenn sich ein Testamentsvollstrecker jedenfalls für die Verwaltung solcher Gelder, die er für die kurzfristige Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten benötigt, nicht von sich aus vorab einen Überblick über die Konditionen anderer Kreditinstitute verschafft, sondern das Angebot annimmt, das ihm die Bank offeriert, bei der er die übrigen Geschäfte des Nachlasses abwickelt. Begründet wird dies mit der besonderen Vertrauensstellung, die der Erblasser dem Testamentsvollstrecker entgegenbringt.
Rz. 43
Im Unterschied dazu ist der Nachlassverwalter hingegen dem Erben als Träger des verwalteten Vermögens verantwortlich, gemäß § 1985 Abs. 2 S. 1 BGB aber auch den Nachlassgläubigern. Aufgrund der Anwendbarkeit der Normensysteme aus dem Pflegschaft- und Vormundschaftsrecht ist streitig umstritten, ob der Nachlassverwalter die Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld und die Verwaltung von Inhaberpapieren gemäß §§ 1807 ff., 1814 BGB (ab 1.1.2023: §§ 1842, 1843 BGB n.F.) zu beachten hat. Richtigerweise wird man bei einem modernen Verständnis der Nachlassverwaltung und den heute gegebenen Möglichkeiten von folgenden Grundsätzen ausgehen müssen:
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Gelder sind grundsätzlich – im Rahmen des Möglichen – verzinslich anzulegen, |
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die Einschränkungen nach §§ 1812, 1813 BGB (ab 1.1.2023: §§ 1849 BGB n.F.) gelten für den Nachlassverwalter nicht, |
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Schenkungen sind nur als Pflicht- und Anstandsschenkungen, § 1804 BGB (ab 1.1.2023: § 1854 Nr. 8 BGB n.F.) zulässig. |
c) Führung von Einzelunternehmen durch den Nachlassverwalter
Rz. 44
Gehört ein Einzelunternehmen zum Nachlass, kann dieses nach heute unstreitiger Auffassung vom Nachlassverwalter fortgeführt werden. Hierzu gehören kaufmännische Betriebe ebenso wie Handwerksbetriebe oder Betriebe der Land- und Forstwirtschaft. Die Nachlassverwaltung von – glücklicherweise mittelständischen – Unternehmen gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben, denen ein Nachlassverwalter ausgesetzt ist. Es stellt sich eine Vielzahl von Rechts- und Praxisfragen, die juristisch kaum aufbereitet sind. Dies bewirkt häufig eine Verunsicherung der handelnden Personen. Als häufigste Folge der Nachlassverwaltung an einem Unternehmen wird daher der Weg in die Nachlassinsolvenz beschrieben.
Rz. 45
Durch die Betriebsfortführung seitens des Nachlassverwalters wird dieser nicht selbst zum Kaufmann, im Einzelfall können aber die Grundsätze der Handelsgeschäfte anwendbar sein, wie z.B. über das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben oder die formfreie Bürgschaftsübernahme.
Rz. 46
Die Verwaltungsbefugnis des Nachlassverwalters erstreckt sich auf das Unternehmen im Ganzen, d.h. die Betriebsgrundstücke, Warenlager und offene Forderungen. Gezogene Gewinne aus dem Unternehmen fallen in den Nachlass. Will der Nachlassverwalter das Unternehmen veräußern, muss die familiengerichtliche Genehmigung nach § 1822 Abs. 1 Nr. 3 BGB (ab dem 1.1.2023: § 1795 BGB n.F.) herbeigeführt werden.
Rz. 47
Probleme können im Einzelfall dann entstehen, wenn die Nachlassverwaltung erst längere Zeit nach dem Erbfall angeordnet wurde und der Erbe bis dahin die Geschäfte geführt oder den Betrieb gar mit seinem eigenen zusammengeführt hat. Kann in einem solchen Fall eine Trennung zwischen dem Betrieb des Erben – der nicht der Nachlassverwaltung unterliegt – und dem in den Nachlass gefallenen Betrieb nicht mehr angenommen werden, beschränkt sich der Anspruch des Nachlassverwalters auf die Hera...