Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 91
Das Nachlassinsolvenzverfahren ist geregelt in den §§ 315–331 InsO und verknüpft das Insolvenzrecht mit dem bürgerlich-rechtlichen Erbrecht. § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO betont insoweit, dass es für das Sondervermögen des Nachlasses ein gesondertes Insolvenzverfahren gibt.
Damit werden zwei Zwecke verfolgt: Zum einen soll der Nachlass gemäß § 1 S. 1 InsO i.V.m. §§ 315–334 InsO im Interesse der Nachlassgläubiger vom Eigenvermögen des Erben getrennt und den Nachlassgläubigern als Verlustgemeinschaft zur gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Forderungen zur Verfügung stehen. Zum anderen dient das Nachlassinsolvenzverfahren nach § 1975 BGB dazu, dass der Erbe seine grds. unbeschränkte Haftung mit seinem Eigenvermögen aus dem Nachlass beschränken kann.
Rz. 92
Das Nachlassinsolvenzverfahren kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn der Nachlass nicht ausreicht, um die Verbindlichkeiten des Erblassers zu bedienen. In diesem Fall haftet grundsätzlich der Erbe auch mit seinem Privatvermögen.
§ 1980 Abs. 1 S. 1 BGB normiert die Antragspflicht für den (Vor-)Erben. Nach § 1985 Abs. 2 S. 2 BGB findet § 1980 BGB auch auf den Nachlassverwalter entsprechende Anwendung. Ob für den Testamentsvollstrecker eine Antragspflicht besteht, ist umstritten. Nichtsdestotrotz ist der Erbe – auch bei angeordneter Testamentsvollstreckung – antragspflichtig. Die Eröffnung des Nachlassinsolvenzerfahrens ist unverzüglich nach Kenntniserlangung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses, spätestens zwei Jahre nach Annahme der Erbschaft (§ 319 InsO), zu beantragen. Andernfalls macht sich der Erbe (oder Nachlassverwalter) schadensersatzpflichtig. Insofern gilt nach § 1980 Abs. 2 S. 1 BGB eine verschärfte Haftung: Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung steht die auf Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis gleich. Als Fahrlässigkeit gilt es insbesondere, wenn der Erbe das Aufgebot der Nachlassgläubiger nicht beantragt, obwohl er Grund hat, das Vorhandensein unbekannter Nachlassverbindlichkeiten anzunehmen, § 1980 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BGB.
Rz. 93
In den Vorschriften über das Nachlassinsolvenzverfahren werden keine Regeln zur sachlichen Zuständigkeit getroffen, so dass die allgemeinen Regeln der InsO gelten. Danach ist gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 InsO das Amtsgericht ausschließlich zuständig. Nach § 315 S. 1 InsO ist für das Nachlassinsolvenzverfahren ausschließlich das Insolvenzgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte (Ausnahme bei selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit).
Rz. 94
Grundsätzlich gelten nur Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung als Gründe für die Insolvenzeröffnung. Stellen der Erbe, der Nachlassverwalter oder der Testamentsvollstrecker den Antrag, reicht auch drohende Zahlungsunfähigkeit, § 320 S. 2 InsO. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Demgegenüber liegt ein Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Nachlass voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu begleichen. Die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit muss dabei über 50 % betragen. Überschuldung liegt vor, wenn die Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 325 InsO die zum Nachlass gehörenden Aktiva übersteigen.
Rz. 95
Das Gericht ist befugt, im Rahmen seiner von Amts wegen anzustellenden Ermittlungen ein Sachverständigengutachten zur Frage des Vorliegens des Insolvenzgrundes, der Deckung der Verfahrenskosten und zur Höhe eines eventuell zu leistenden Massekostenvorschusses einzuholen, § 5 Abs. 1 InsO.
Rz. 96
Stellt der Testamentsvollstrecker den Insolvenzeröffnungsantrag, so steht weder dem Erben noch sonst einem Nachlassbeteiligten ein Recht zur Beschwerde gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO. Nachlassgläubiger können ihre Forderungen nur noch zur Insolvenztabelle anmelden. Insolvenzgläubiger können keine Zahlung aus dem Nachlass verlangen und nicht mehr in den Nachlass vollstrecken.
Rz. 97
Das Testamentsvollstreckeramt erlischt nicht. Der Testamentsvollstrecker hat umfassende Akteneinsichts-, Auskunfts- und Mitwirkungsrechte. Er darf an Gläubigerversammlungen teilnehmen, Anträge stellen und Widerspruch gegen Forderungsfeststellungen erheben. Auch der Vergütungsanspruch des Testamentsvollstreckers bleibt bestehen. Es handelt sich um eine vorrangige Masseverbindlichkeit. Zu den Masseverbindlichkeiten gehören nach § 324 Abs. 1 Nr. 2 InsO auch die Beerdigungskosten des Erblassers.
Praxishinweis
Im Falle einer Nachlassinsolvenz kann sich der Testamentsvollstrecker grundsätzlich auch zum Eigenverwalter bestellen lassen. Im Eigenverwaltungsverfahren wird kein gesonderter Insolvenzverwalter bestellt. Die ...