Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 16
Nach § 1984 BGB verliert der Erbe mit der Anordnung der Nachlassverwaltung die Befugnis, selbst den Nachlass zu verwalten und über ihn zu verfügen. Ergänzt wird die Vorschrift durch die Regelungen der §§ 1975–1977, 2000 BGB sowie §§ 241, 246, 784 ZPO.
1. Erlöschen der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis
Rz. 17
Die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis des Erben erlischt mit dem Wirksamwerden der Anordnung der Nachlassverwaltung, regelmäßig also mit der Zustellung, nicht erst der Bekanntmachung. Als Rechtsfolge sind die Rechtshandlungen des Erben den Nachlassgläubigern gegenüber unwirksam. Dies folgt bereits aus dem Verweis in § 1984 Abs. 1 S. 2 BGB auf die Vorschriften der §§ 81, 82 InsO. Unwirksamkeit ist hier im Sinne einer absoluten Unwirksamkeit zu verstehen. Sie entfaltet also Wirkung gegenüber jedermann, soweit die Zwecke der Nachlassverwaltung berührt werden können. Der Nachlassverwalter kann die unwirksamen Verfügungen jedoch gemäß § 185 BGB genehmigen.
Rz. 18
Da im deutschen bürgerlichen Recht der gute Glaube eines Erwerbers in die Verfügungsbefugnis des Veräußerers – ausgenommen bei Grundstücken – nicht geschützt ist, ist eine Verfügung durch den Erben nach Anordnung der Nachlassverwaltung Dritten gegenüber selbst dann unwirksam, wenn der Erwerber die Nachlassverwaltung oder grobe Fahrlässigkeit nicht gekannt hat.
Rz. 19
Die Beschränkungen, denen der Erbe unterliegt, gelten auch für die Verfügungs- und Verwaltungsmacht des Testamentsvollstreckers, soweit sie mit der Befugnis des Nachlassverwalters kollidieren. Das Amt des Testamentsvollstreckers ruht, es ist nicht beendet, sondern der Testamentsvollstrecker erlangt mit der Aufhebung der Nachlassverwaltung seine ursprüngliche Befugnis zurück. Hat er die Nachlassverwaltung nicht genutzt, um sein Amt niederzulegen, kann er während der Nachlassverwaltung – ebenso wie der Erbe – Mängel der Verwaltung durch den Nachlassverwalter gegenüber dem Nachlassgericht rügen.
2. Verlust der Prozessführungsbefugnis
Rz. 20
Für Passivprozesse regelt § 1984 Abs. 1 S. 3 BGB ausdrücklich, dass diese nur gegen den Nachlassverwalter gerichtet werden können. Die Nachlassabsonderung soll den Erben nicht nur vor einer Haftung, sondern auch vor einer persönlichen Einbeziehung in den Rechtsstreit schützen. Für Aktivprozesse folgt dieses Ergebnis aus § 1984 Abs. 1 S. 1 BGB, denn die Verwaltung des Nachlasses umfasst auch die Prozessführung.
Rz. 21
Bereits anhängige Rechtsstreite werden durch die Anordnung der Nachlassverwaltung gemäß § 241 ZPO unterbrochen, soweit nicht eine anwaltliche Vertretung besteht, § 246 ZPO. Die Fortsetzung eines unterbrochenen Prozesses ist nur durch den Nachlassverwalter möglich. Im Einzelfall kann es empfehlenswert sein, wenn der Nachlassverwalter den Erben aufgrund seiner besseren Sachkenntnis im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft ermächtigt, den Prozess im eigenen Namen für den Nachlass zu führen.
Rz. 22
Grundsätzlich ist zu beachten, dass dem Nachlassverwalter die alleinige Prozessführungsbefugnis nur insoweit zukommt, als es sich um vermögensrechtliche Streitigkeiten des Nachlasses handelt. Auch nur in Bezug auf derartige Streitigkeiten kommt eine Unterbrechung des Rechtsstreits in Betracht. Besondere Sorgfalt ist daher im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Ansprüche bei Personengesellschaften geboten. Hier werden z.B. Rechtsstreitigkeiten, die ein Erbe als Nachfolger des Erblassers in einer Personengesellschaft über seine Mitgliedschaft führt, durch die Anordnung der Nachlassverwaltung nicht unterbrochen. Wiederum anders verhält es sich allerdings, wenn nur die vermögensrechtliche Seite der Gesellschaftsansprüche betroffen ist, also insbesondere im Rahmen von Gewinn- und Abfindungsansprüchen.
Rz. 23
Nicht vom Verlust der Prozessführungsbefugnis für Passivprozesse erfasst sind die Auskunftsansprüche des Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2314 BGB, die auch während der Nachlassverwaltung gegen den Erben geltend gemacht werden können.
3. Beschränkung der Zwangsvollstreckung in den Nachlass
a) Situation der Eigengläubiger
Rz. 24
Nach § 1984 Abs. 2 BGB sind Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und Arreste in den Nachlass zugunsten eines Gläubigers, der nicht Nachlassgläubiger ist, ausgeschlossen. Betroffen sind hier also die Eigengläubiger des Erben. Dies gilt unabhängig davon, ob der Erbe unbeschränkt haftet oder nicht. Grund für diese Regelung ist, dass der Nachlass nach Anordnung der Nachlassverwaltung sämtlichen Nachlassgläubigern ungemindert zur Verfügung stehen soll. Gegen bereits vor Anordnung der Nachlassverwaltung erfolgte Vollstreckungsmaßnahmen kann sich der Nachlassverwalter durch Klageerhebung nach §§ 785, 784 Abs. 2 BGB wehren. Wollen Eigengläubiger des Erben nach Anordnung der Nachlassverwaltung in den Nachlass vollstrecken, steht dem Nachlassverwalter die Abwehrklage nach §§ 784, 767 ZPO zur Verfügung. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass Eigengläubi...