Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
1. Rechtsstellung des Nachlassverwalters
Rz. 30
Der Nachlassverwalter ist nicht nur im Interesse des Erben tätig, vielmehr nimmt er die Belange aller Beteiligten, insbesondere auch der Nachlassgläubiger wahr. Damit ist er nach ganz herrschender Meinung nicht gesetzlicher Vertreter des Erben, sondern amtlich bestelltes Organ zur Verwaltung einer fremden Vermögensmasse mit eigener Parteistellung.
Rz. 31
Rechtsträger bleibt weiterhin der Erbe, insoweit besteht Vergleichbarkeit zur Testamentsvollstreckung.
Praxishinweis
Wie schon dem Testamentsvollstrecker, so kann auch dem Nachlassverwalter nur geraten werden, seine Rechtsstellung ausdrücklich offenzulegen, z.B. durch die Verwendung der Formulierung: "handelnd als Nachlassverwalter über den Nachlass des (...)"
Rz. 32
Unterbleibt diese Offenlegung, verpflichtet er nicht den Erben als Träger des Nachlasses, sondern haftet dem Vertragspartner persönlich. Unter Umständen kann ein Aufwendungsersatzanspruch in Betracht kommen, wenn das Geschäft im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung erfolgte.
Rz. 33
Aus der Definition der Nachlassverwaltung als Nachlasspflegschaft in § 1975 BGB folgt, dass nach § 1915 BGB die Regeln über die Vormundschaft (§§ 1773 ff. BGB, beachte Änderungen zum 1.1.2023) entsprechend anwendbar sind, es sei denn, es wurde gesetzlich ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Damit unterliegt der Nachlassverwalter dem Selbstkontrahierungsverbot nach § 1795 Abs. 2 BGB (ab dem 1.1.2023: § 1824 Abs. 2 BGB n.F.), § 181 BGB, von dem er – anders als der Testamentsvollstrecker – auch nicht durch den Erblasser befreit werden kann. Vergleichbar zum Testamentsvollstrecker ist das Recht zur Vornahme von Schenkungen geregelt. Es beschränkt sich gemäß § 1804 BGB (ab 1.1.2023: § 1854 Nr. 8 BGB n.F.) auf Anstandsschenkungen. Das in § 1815 BGB ausdrücklich normierte Verbot für den Nachlassverwalter, das Vermögen weder für sich noch für einen Gegenverwalter zu verwenden, ergibt sich im Recht der Testamentsvollstreckung aus allgemeinen Grundsätzen.
2. Aufgaben des Nachlassverwalters
Rz. 34
Hierher gehört auch die Geltendmachung und notfalls gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Erben nach § 1978 BGB. Der Erbe muss alles, was er aus seiner bisherigen Verwaltung des Nachlasses erlangt hat, an den Nachlassverwalter herausgeben. Gezogene Nutzungen muss er ersetzen, gleiches gilt für Bestandteile des Nachlasses, die er verbraucht hat. Ein Verschulden von Gehilfen muss sich der Erbe nach § 278 BGB zurechnen lassen, insoweit haftet er auch mit seinem Eigenvermögen.
Rz. 35
§ 1985 BGB legt als wichtigste Aufgaben des Nachlassverwalters die Verwaltung des Nachlasses und die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten fest. Ergänzt wird diese Vorschrift durch weitere Befugnisse des Verwalters. Hierzu gehören insbesondere die Beantragung des Aufgebotsverfahrens nach § 991 ZPO oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nach § 317 InsO.
a) Inbesitznahme des Nachlasses und Geltendmachung von Forderungen
Rz. 36
Vergleichbar zur Verpflichtung des Testamentsvollstreckers hat der Nachlassverwalter sich nicht auf die bloße Erhaltung des Nachlasses zu beschränken. Vielmehr muss er das verwaltete Vermögen nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft vermehren. Hierzu hat er zunächst den Nachlass in Besitz zu nehmen. Weiterhin hat er die zum Nachlass gehörenden Forderungen einzuziehen. Hierher gehört auch die Geltendmachung und notfalls gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Erben nach § 1978 BGB.
b) Berichtigung der Nachlassschulden
Rz. 37
In der Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten liegt eine wesentliche Hauptaufgabe des Nachlassverwalters. Hierzu hat er, wenn nötig, den Nachlass zu verwerten. In welcher Form dies geschieht, z.B. durch Veräußerung, im Wege der freihändigen oder öffentlichen Versteigerung, liegt grundsätzlich in seinem Ermessen. Die Grenze seines Ermessens wird über § 1985 Abs. 2 S. 2 BGB gezogen, wonach die Vorschriften der §§ 1979, 1980 BGB zu beachten sind. Dies bedeutet, dass der Nachlassverwalter eine Verbindlichkeit nur dann erfüllen darf, wenn er annehmen kann, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Verbindlichkeiten ausreicht. Ist dies der Fall, muss er sich gegenüber den Nachlassgläubigern auf §§ 2014, 2015 BGB berufen. Stellt er Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung fest, hat er Nachlassinsolvenz zu beantragen.
c) Rechnungslegung
Rz. 38
Gemäß § 1840 Abs. 1, 2 BGB (ab dem 1.1.2023: § 1863 BGB n.F.) i.V.m. § 1915 Abs. 1 BGB (ab dem 1.1.2023: § 1813 BGB n.F.) hat der Nachlassverwalter jährlich Rechnung zu leg...