Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
1. Haftung gegenüber den Erben
Rz. 81
Mit der Ernennung zum Nachlassverwalter entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen ihm und dem Erben. Der Nachlassverwalter ist daher für die Erfüllung seiner Aufgaben gemäß §§ 1915 Abs. 1, 1833 BGB sowie den §§ 1834, 1839–1841 BGB entsprechend wie ein Vormund zunächst dem Erben als Träger des verwalteten Vermögens verantwortlich. Diesem gegenüber haftet er für jeden Schaden, der dem Erben durch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Nachlassverwalters entstanden ist, mit seinem eigenen Vermögen.
Rz. 82
Anders als in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB wird das Vertretenmüssen nicht vermutet. Vielmehr ist es vom Erben zu beweisen. Ihm kommen jedoch die Regeln des Anscheinsbeweises zugute, wenn die Begehung einer Pflichtverletzung feststeht.
2. Haftung gegenüber den Gläubigern
Rz. 83
Neben der Haftung gegenüber den Erben ist der Nachlassverwalter nach § 1985 Abs. 2 S. 1 BGB auch den Nachlassgläubigern verantwortlich. Auch insoweit wird ein gesetzliches Schuldverhältnis angenommen. Zu ersetzen ist im Schadensfall jeder Vermögensnachteil, den ein Nachlassgläubiger durch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Nachlassverwalters erlitten hat.
Rz. 84
Beispiele für Pflichtverletzungen:
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Begleichung einer Nachlassverbindlichkeit, obwohl der Nachlass zur Berichtigung aller Verbindlichkeiten nicht ausreicht |
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versäumte Antragstellung auf Nachlassinsolvenz nach §§ 1985 Abs. 2 S. 2, 1980 BGB |
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Herausgabe des Nachlasses an den Erben vor Berichtigung einer bekannten Nachlassverbindlichkeit, § 1986 BGB |
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Verletzung steuerlicher Pflichten (insbes. §§ 32 Abs. 1 S. 2, 31 Abs. 5 ErbStG, §§ 34, 69 AO) |
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Regressansprüche der Berufsgenossenschaft bei Fortführung eines Nachlassunternehmens (§ 111 SGB VII). |
Rz. 85
Für deliktisches Verhalten haftet der Nachlassverwalter hingegen nicht aufgrund des gesetzlichen Schuldverhältnisses, sondern nach §§ 823 ff. BGB persönlich.
Rz. 86
Der Anspruch des Nachlassgläubigers gegenüber dem Nachlassverwalter auf pflichtgemäße Verwaltung bedeutet jedoch nicht, dass der Gläubiger Anspruch auf die Vornahme einer bestimmten, konkreten Einzelmaßnahme durch den Nachlassverwalter hätte. Er kann ein solches Verhalten allenfalls zum Anlass nehmen, beim Nachlassgericht ein Einschreiten gegen den Verwalter anzuregen. Ein Recht auf Beantragung einer Entlassung steht ihm nicht zu.
3. Verjährung
Rz. 87
Nach der Entscheidung des BGH vom 18.4.2007 verjährten die zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche gegen einen Testamentsvollstrecker auch nach der Neuregelung des Verjährungsrechtes zum 1.1.2002 gemäß § 2219 Abs. 1 BGB erst in 30 Jahren seit ihrer Entstehung. Dies galt auch dann, wenn berufsrechtliche Regelungen eine kürzere Verjährung vorsahen. Wegen der erbrechtlichen Grundlage, die die Haftungsansprüche haben, musste man davon ausgehen, dass auch die Ansprüche gegen den Nachlassverwalter gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst in 30 Jahren verjährten. Nach richtiger Auffassung hat sich ab dem 1.1.2010 eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf die dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB auch für den Nachlassverwalter aus dem Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts ergeben.
4. Herbeiführung von Haftungsbeschränkungen
Rz. 88
Haftungsbegrenzungsvereinbarungen, wie sie für Testamentsvollstrecker empfohlen werden, sind auch für Nachlassverwalter denkbar und sinnvoll. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Abschluss solcher Vereinbarungen mit den Erben regelmäßig unproblematischer ist, als mit den Nachlassgläubigern. Sinnvoll sind solche Vereinbarungen jedoch nur dann, wenn sämtliche Beteiligte erfasst werden können. Während die Erben regelmäßig bekannt sind, ist das bei Nachlassgläubigern nicht ohne weiteres anzunehmen, es sei denn, der Nachlassverwalter hat ein Aufgebotsverfahren auf Ausschluss der noch nicht bekannten Nachlassgläubiger gestellt.
Praxishinweis
Das Aufgebotsverfahren nach § 1970 BGB i.V.m. §§ 946 ff. ZPO ist grundsätzlich als begleitende Maßnahme zu jeder Nachlassverwaltung empfehlenswert, da sich der Nachlassverwalter ansonsten der Gefahr aussetzt, einem unbekannt gebliebenen Nachlassgläubiger persönlich zu haften.
Rz. 89
In Einzelfällen ist es denkbar, dass sich eine Beschränkung der Haftung des Nachlassverwalters gegenüber dem Erben auch aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben kann, beispielsweise wenn sich der Nachlassverwalter in einer überobligatorischen Art und Weise für den Nachlass eingesetzt und diesem dadurch Mitteln verholfen hat, die anderweitig nicht zu erlangen gewesen wären.
5. Exkurs: Die Haftung des Nachlassgerichts
Rz. 90
Anders als der Testamentsvollstrecker un...