Dr. Daniel Faulenbach, Peter Friedhofen
I. Sachentscheidungsvoraussetzung
Rz. 69
Die Rechtswegzuständigkeit des Gerichtes ist unverzichtbare Sachentscheidungsvoraussetzung. Die rechtliche Beurteilung durch die Parteien ist nicht maßgebend. Es kommt allein auf die rechtliche Qualifizierung durch das Gericht aufgrund des tatsächlichen Vorbringens des Klägers an. Davon ist eine Ausnahme zu machen im sog. Sic-non-Fall (siehe Rdn 73 ff.). Die bloße, wenn auch schlüssige Behauptung der die Rechtswegzuständigkeit begründenden Tatsachen durch den Kläger genügt nicht. Sind die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen streitig, ist also insbesondere streitig, ob es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, aus dem Ansprüche geltend gemacht werden, so ist über diese Beweis zu erheben, es sei denn, die Rechtswegzuständigkeit zum Arbeitsgericht ergibt sich aus dem arbeitnehmerähnlichen Status und damit aus § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG oder aus § 5 Abs. 3 ArbGG. Daraus folgt: Ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers, dass die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nicht gegeben ist, ist sein Vorbringen also für die Rechtswegzuständigkeit unschlüssig, ist die Rechtswegzuständigkeit zum Arbeitsgericht nicht gegeben. Ist sein Vortrag hingegen schlüssig für die Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts, kann er sie aber im Bestreitensfall nicht beweisen, ist ebenfalls die Rechtswegzuständigkeit zum Arbeitsgericht nicht gegeben.
II. Klagehäufung
Rz. 70
Bei objektiver oder subjektiver Klagehäufung muss die Rechtswegzuständigkeit für jeden Klageanspruch gesondert geprüft und festgestellt werden (zur Problematik der Zusammenhangsklage siehe Rdn 79 ff.). Ist die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen festgestellt, ist der Klageanspruch gem. § 17 Abs. 2 GVG unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen.
Rz. 71
Ist für einen zusammen mit einem arbeitsrechtlichen Anspruch geltend gemachten Klageanspruch oder für die Widerklage die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht gegeben, ist das Verfahren abzutrennen und insoweit an das rechtswegzuständige Gericht zu verweisen. Bürgerlich-rechtliche Ansprüche, die an sich in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallen, können aber sowohl im Wege der Klagehäufung als auch im Wege der Widerklage in den Arbeitsrechtsstreit einbezogen werden, wenn wegen des rechtlichen oder unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhangs die Zusammenhangszuständigkeit nach § 2 Abs. 3 ArbGG gegeben ist. Das bedeutet aber auch: Besteht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Rechtswegs, kommt eine Zusammenhangszuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht in Betracht. Daher scheidet etwa in Wettbewerbsstreitigkeiten aufgrund der in § 14 Abs. 1 UWG normierten ausschließlichen Zuständigkeit des Landgerichts die Erhebung einer Zusammenhangsklage gegen einen Nichtarbeitnehmer aus. Ähnliche Regelungen finden sich in § 29a Abs. 1 ZPO, § 143 Abs. 1 PatG oder § 39 Abs. 1 ArbnErfG.
III. Sog. Sic-non-Fälle, Aut-aut-Fälle und Et-et-Fälle
Rz. 72
Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen bereiten die Fälle, in denen die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers bzw. sein Status als arbeitnehmerähnliche Person (die, wie oben ausgeführt, zur Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gem. § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG führt) streitig ist bzw. in denen sich nicht die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen aus einer ausdrücklichen Rechtswegszuständigkeitsbestimmung (wie z.B. beim Entwicklungshelfer) ergibt. Bei der Prüfung der arbeitsgerichtlichen Rechtswegzuständigkeit sind dabei mehrere Fallgruppen zu unterscheiden. Die drei Fallgruppen der Sic-non-Fälle, der Aut-aut-Fälle und der Et-et-Fälle hat die Rechtsprechung im Hinblick auf die Frage entwickelt, welche Anforderungen an das klägerische Vorbringen zur Begründung der Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte in Abgrenzung zu den ordentlichen Gerichten zu stellen sind.
1. Sic-non-Fall
Rz. 73
Ein Sic-non-Fall liegt vor, wenn der erhobene Anspruch nur auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, die eindeutig in die Rechtswegzuständigkeit des angerufenen Gerichtes fällt und dabei fraglich oder bestritten ist, ob die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage vorliegen.
Rz. 74
Beispiele
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Der Kläger, der nach Auffassung der Beklagten als selbstständiger Handelsvertreter eingestellt und beschäftigt worden ist, wendet sich gegen eine ordentliche Kündigung seines Rechtsverhältnisses mit dem Feststellungsantrag nach § 4 Abs. 1 S. 1 KSchG mit der Begründung, er habe in Wahrheit mit einem solchen Grad persönlicher Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit Arbeit geleistet, sodass sein Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu werten sei und deshalb sei die ordentliche Kündigung gem. § 1 Abs. 2... |